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Bone 01 - Die Kuppel

Titel: Bone 01 - Die Kuppel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O'Guilín
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wenig schwerer als sonst.
    Stolperzunges Gruppe machte keinen besseren Eindruck als die von Varaha. Die Männer schafften es kaum noch, die langen Stöcke zu heben, mit denen sie den Speerkampf übten. Bei allen waren die Füße mit Moossaft beschmiert, denn in der gesamten Umgebung schien es nicht ein Stück Straße zu geben, das frei von Bewuchs war. Es war erst der zweite Tag der eigentlichen Ausbildung, und schon musste er sich Steingesichts Meinung anschließen, dass es ein hoffnungsloses Unterfangen war.
    »Sie sind so schwach!«, sagte er während einer Pause zu Varaha. »Und die mit dem grauen Haar sind am schlimmsten!«
    »Sie sind einfach nur alt«, sagte der Lehrer. »Dieser Mann dort, der vorhin im Laufen seinen Speer verloren hat, ist fast achtundzwanzigtausend Tage alt.«
    Stolperzunge hätte sich fast am Knochen verschluckt, an dem er gerade kaute. »Unmöglich!«
    Varaha zog die vollkommenen Augenbrauen hoch. »Du hast es wirklich nicht gewusst? Wir dachten, du wärst einfach grausam, wie es nur ein Deserteur sein kann – was nicht böse gemeint ist! Du hast uns allen das Leben gerettet, und wir haben uns selbst für dieses grausame Schicksal entschieden.«
    Stolperzunge hatte gehört, wie eine Frau als »Großmutter« angesprochen worden war, aber er hatte sich nicht vorstellen können, dass es ernst gemeint war. Zu Hause hätte jeder Jäger, der zu schwach geworden war, um dem Stamm von Nutzen zu sein, genügend Selbstachtung besessen, sich längst freiwillig zu melden. Genauso wie Steingesicht es tun würde, wenn es Stolperzunge nicht gelang, ihn davon abzubringen. Aber diese Menschen hatten ihr ganzes Leben auf dem Großen Dach verbracht. Warum sollte dort jemand zum Freiwilligen werden, wenn man einfach losgehen und sich eine Handvoll Moos besorgen konnte – oder was auch immer die Leute dort aßen?
    Er schüttelte den Kopf. »Aber selbst die Jüngeren sind Schwächlinge«, sagte er.
    »Im Gegensatz zu dir«, erklärte Varaha, »haben sie nicht ihr ganzes Leben lang gejagt.« Sein Gesicht zeigte wieder sein typisches wissendes Lächeln. »Es ist ein Wunder, dass du zu uns gekommen bist, Stolperzunge. Von allen Mitgliedern deines Stammes bist du derjenige, von dem ich mir gewünscht hätte, dass er uns hilft.«
    Der junge Jäger wurde verlegen. Und er spürte noch etwas anderes. Wegen seiner behinderten Zunge war er zu Hause immer ein Außenseiter gewesen. Aber nicht hier, wenn der Sprecher in der Nähe war. Selbst wenn er ihm nicht zur Verfügung stand, bewegte sich seine Zunge manchmal genauso schnell wie seine Beine. Natürlich verstand ihn dann niemand. Aber er hatte schon ein paar Begriffe aus der Sprache seines neuen Stammes aufgeschnappt – »Schnell!« und »Speer«; er konnte sie zwar nicht ganz richtig, aber ohne Stottern aussprechen. Er seufzte. »Es ist ein Wunder, wenn wir überhaupt länger als noch ein paar Tage überleben.«
    »Aha«, sagte Varaha. »Also hat es gar keinen Sinn, wenn ich mir jetzt schon eine Frau nehme?«
    »Ich wusste gar nicht, dass du daran denkst, übers Feuer zu springen!« Jedenfalls standen ihm zahlreiche Frauen zur Auswahl, so viel war sicher. Stolperzunge hatte mitgehört, wie sie über ihn gesprochen hatten, wie sie beim Anblick seines wunderbaren Kinns alle Schrecken vergessen hatten.
    »Sagen wir einfach, dass ich ein Auge auf jemanden geworfen habe.«
    »Aber auf wen?«, fragte Stolperzunge.
    Varaha lachte und erschreckte damit ein paar Leute aus seiner Gruppe. Eigentlich hätte das nicht geschehen sollen, denn sein Gesicht zeigte ständig den Ausdruck der Belustigung, als wäre alles, was er sah, für ihn nur ein einziger großer Witz. Er gehörte zu den wenigen Erwachsenen, die die Kraft und die Neigung aufbrachten, mit Indranis Waisenkindern zu spielen, und er schien ihnen immer etwas von seinem Essen abzugeben. Auch jetzt steckte er das Fleisch ein, das sein Freund mit ihm teilen wollte, und weigerte sich, selbst auch nur einen Bissen davon zu nehmen.
    Er klopfte Stolperzunge auf die Schulter. »Diese Frau ist eine heikle Angelegenheit, mein Freund, und es lohnt sich nicht, dieses Thema anzusprechen, wenn wir alle ohnehin sterben werden.«
    Stolperzunge dachte an seine eigene »heikle Angelegenheit« und wie sie sich geweigert hatte, mit ihm übers Feuer zu springen. Aber Indrani hatte ihn keineswegs ausdrücklich zurückgewiesen! Sie hatte ihm mehr oder weniger gesagt, dass er für sie nicht zivilisiert genug war, aber auch, dass sie ihn gar

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