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Bone 01 - Die Kuppel

Titel: Bone 01 - Die Kuppel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O'Guilín
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sie keine Ausgeburt seines Fieberwahns war, sondern ein realer Mensch.
    »W-wie ist dein N-name?«, fragte er sie. Sie hatte das kürzeste Haar, das er je bei einer Frau gesehen hatte, nicht länger als ein einzelnes Fingerglied.
    Er versuchte es noch einmal. »W-warum habe ich d-d-dich noch nie g-gesehen?« Im Stamm kursierte die Geschichte eines Mannes, der seine Mutter eine halbe Generation lang versteckt hatte, damit sie nicht als Freiwillige ausgewählt wurde. Hatte auch diese Frau ihr gesamtes Leben in einem Schlupfwinkel verbracht? War ihre Haut deshalb so dunkel?
    Aber sie beantwortete seine Fragen nicht. Sie sah ihn nur an. Vielleicht war sie stumm, dachte er. Vielleicht war das sinnlose Gebrabbel, das er von ihr gehört hatte, nur ein Teil seiner Fieberträume gewesen.
    Erst dann bemerkte er das grausame Jucken in seinen Beinen. Als er die Decke aus gestampftem Moos wegzog, sah er, dass jemand die gebrochenen Gliedmaßen an lange, gerade Metallstücke gebunden hatte. Warum das geschehen war, wusste er nicht, aber es erleichterte ihn, dass kein nackter Knochen mehr herausschaute. Er streckte sich, um sich ausgiebig zu kratzen, aber sofort stand die Frau auf und schlug seine Hände weg. Stolperzunge hatte nicht genug Kraft, um sich gegen sie zu wehren.
    »Mutter!«, rief er. »M-mutter!«
    Keine Antwort. Er betrachtete noch einmal die Fremde. »Also s-sind nur w-wir beide hier.«
    Die Frau tippte sich auf die Brust. »Indrani«, sagte sie.
    »G-g-gut«, sagte er, froh, dass sie doch sprechen konnte, doch als er in ihre seltsamen dunklen Augen blickte, konnte er nichts mehr sagen. Auch sie schien danach keine weiteren Worte über die Lippen zu bringen. Er fragte sich, ob sie genauso wie er unter Schüchternheit und einer widerspenstigen Zunge litt. Also ließen sie das unbehagliche Schweigen anhalten und reagierten nur aufeinander, wenn er ihr verstohlene Blicke zuwarf oder sie ihn anzischte, weil er versuchte, sich die juckenden Beine zu kratzen.
    Stolperzunge erfuhr erst später am Abend, wie die Frau in sein Haus gekommen war. Wandbrecher stattete ihm einen Besuch ab und wirkte erleichtert, als er sah, dass sein Bruder bei Bewusstsein war.
    »Du hast mir große Sorgen bereitet«, gestand er.
    Stolperzunge bemerkte, dass Indrani sich in die Ecke des Raumes zurückgezogen hatte, die am weitesten von seinem Bruder entfernt war. Wirklich seltsam, denn Wandbrecher hatte die ungetrübte Selbstsicherheit wiedergewonnen, die er nach dem Zusammenstoß mit den Panzerrücken zeitweise verloren hatte.
    »W-wie lange habe ich im F-f-fieber gelegen?«, fragte Stolperzunge.
    »Dein kleines Abenteuer mit Steingesicht liegt zweiundzwanzig Tage zurück.«
    Stolperzunge dachte darüber nach. Der Anblick gebrochener Knochen, die durch seine Haut stachen, hätte den meisten Mitgliedern des Stammes klargemacht, dass er nie wieder würde laufen können, ganz zu schweigen vom Jagen. Wenn sie so etwas schon seit zweiundzwanzig Tagen duldeten, war das eine verdammt lange Zeit. Um sich von diesen Gedanken abzulenken, forderte er Wandbrecher auf, ihm von Indrani zu erzählen.
    »Eine unglaubliche Geschichte!«, sagte sein Bruder. »Erinnerst du dich überhaupt noch an die Nacht, als du auf Steingesichts Rücken aus Bluthaut-Wege entkommen bist? Wir alle sahen, wie dieses Ding vom Himmel fiel, und ich brannte darauf, es mir aus der Nähe anzusehen, aber alle anderen wollten unbedingt auf die Jagd gehen.«
    »Ich g-glaube, ich erinnere mich ungefähr d-daran …«
    Stolperzunge saß mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt. Sein Geist war noch nicht länger als den zehnten Teil eines Tages klar, aber er wurde schon wieder müde. Indrani kam herüber und half ihm, sich hinzulegen. Sie warf Wandbrecher misstrauische Blicke zu und kehrte sofort in ihre Ecke zurück, als sie fertig war.
    »Ich werde dir diese Geschichte erzählen«, sagte Wandbrecher grinsend. »Ich werde dir erzählen, wie ich ein zweites Mal geheiratet habe – trotz meiner jungen Tage!«
    Stolperzunge blickte erstaunt von Ehemann zu Ehefrau. Es war in der Tat ungewöhnlich, dass ein so junger Mann zwei Frauen hatte. Aber nach der Jagd auf die Bluthäute musste jedes Mitglied der Gruppe mit einem ganzen erwachsenen Kadaver nach Hause gekommen sein. Falls Wandbrecher es geschafft hatte, diesen Erfolg auch nur ein weiteres Mal zu wiederholen, war es kein Wunder, dass er sich eine solche Extravaganz leisten konnte.
    »Weißt du, Bruder, mir war vom ersten Moment an klar, dass

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