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Bone 01 - Die Kuppel

Titel: Bone 01 - Die Kuppel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O'Guilín
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wurde ihm klar, dass sein törichter Rettungsversuch sie endgültig zum Tod verurteilt hatte, falls sie nicht ohnehin so gut wie tot war. Und er ebenfalls.
    Es sei denn… Er konnte nicht fassen, dass ihm eine solche Idee durch den Kopf ging. Als hätte sich der Vorfahr eines Feindes in seine Gedanken geschlichen und würde ihm nun zuflüstern: Schleich dich zurück ins Haus. Ermorde Moosherz. Ermorde Wandbrecher, wenn er zurückkehrt. Er schüttelte diese fremdartige Vorstellung ab, zu der kein Mensch fähig war. Nein, er würde nach einer anderen Möglichkeit suchen müssen. Er war zwar nicht so schlau wie Wandbrecher, aber ihm würde etwas einfallen.
    Er trug Indrani in sein Haus und entzündete ein Feuer. Er holte einen Lappen, um ihr Gesicht abzuwischen, dann machte er sein Werk wieder zunichte, indem er ihr etwas Brühe einflößte. Eine Zeitlang tat er nicht mehr, als an ihrer Seite Wache zu halten und jeden Moment damit zu rechnen, dass Wandbrecher kam. Doch ihr rasselnder Atem lenkte zuerst sein Mitleid und dann seine Blicke auf sie. Er stellte fest, dass er die Augen nicht mehr abwenden konnte. Manchmal, wenn sie aufgeregt zu ihm gesprochen hatte, hatte sie die Zähne hinter offenen Lippen zusammengebissen, wild, aber eher mit der Wildheit eines Kindes, voller Unschuld und Inbrunst. Damit hatte sie ihm immer wieder ein Lächeln entlockt. Den gleichen Ausdruck hatte sie nun im Kampf gegen ihre Krankheit, und er stellte sich vor, wie sie stolz vor den Vorfahren der Feinde stand, die ihr zusetzten. Er wünschte sich, er könnte ihr in diesem Kampf beistehen.
    Er legte eine Hand auf ihre feuchte Stirn. Ohne dass er es wollte, glitt er tiefer und legte die Hand an ihr Gesicht, und dort spielte er mit ihrem vollkommenen schwarzen Haar.
    »Indrani. A-a-arme Indrani …«
    Erneut fragte er sich, wie lange es noch dauern würde, bis Wandbrecher zurückkam. Die erste Stelle, wo er nach seiner Frau suchen würde, wäre zweifellos Stolperzunges Haus.
    Als die Schale mit der Brühe leer war, packte Stolperzunge seine Waffen und zwei Wasserbeutel zusammen. Er würde sonst nicht viel mitnehmen können, wenn er Indrani tragen musste. Er hob sie auf seine Schultern und trat auf die nächtlichen Straßen hinaus. Seine schlurfenden Schritte hallten von den Wänden wider, als er wankend auf ein leeres Gebäude in der Nähe des neuen Verteidigungsringes zuging. Hier waren die Fenster natürlich versperrt, aber eine bestimmte Sperre war etwas schwächer als die anderen, damit sie leicht von innen entfernt werden konnte.
    Er hievte Indrani auf den Fenstersims, kletterte an ihr vorbei und zog sie dann ins Hausinnere. Er machte sich nicht die Mühe, die Sperre wieder zu schließen. Er bezweifelte sogar, dass es überhaupt möglich war. Außerdem wollte er, dass mögliche Verfolger dachten, er wäre zu den nunmehr leeren Straßen der Haarigen gegangen.
    Die Hälfte der Nacht war vergangen, und Indrani wurde mit jedem Schritt schwerer. Sie keuchte ihm ins Ohr, und ihr Speichel nässte seine Schulter. Er hatte noch einen langen Weg vor sich, bevor er ausruhen konnte. Er machte einen weiten Bogen und folgte der alten Grenze, bis er zu einem Haus kam, das auf der Zartling-Seite für ihn und Steingesicht vorbereitet worden war. Hätten die Panzerrücken und ihre Verbündeten entschieden, nicht vom erst kürzlich eroberten Gebiet der Zartlinge, sondern von Haarigen-Wege aus anzugreifen, hätten sich die beiden Männer dort versteckt und nicht im Gebäude, in dem sie auf eine Gelegenheit gewartet hatten, den Sprecher zu stehlen.
    Er wich den Fallen auf der Treppe aus, die unversehrt waren, und stellte erleichtert fest, dass auch niemand die Nahrungsvorräte angerührt hatte. Nach der Schlacht gab es so viel Fleisch, dass es nicht nötig gewesen war, darauf zurückzugreifen.
    Er legte Indrani auf die alten Felle, die man hier abgelegt hatte. Dann rollte er sich in einer Ecke zusammen und war im nächsten Moment eingeschlafen.

    Stolperzunge wachte mit einem Messer an seiner Kehle auf. Das Licht vom Großen Dach war so grell, dass er im ersten Moment nicht erkennen konnte, wer es hielt.
    »Er hat jedem, der Indrani zurückbringt, eine weitere Frau versprochen«, sagte Steingesicht. »Wie findest du das? Und wie würde ich als Witwer das finden?«
    Steingesicht verbreitete einen üblen Geruch. Seine Zähne wurden schlechter, und zum ersten Mal wurde Stolperzunge bewusst, dass der große Mann vielleicht schon bald seine Kraft verlieren würde.

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