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Bone 01 - Die Kuppel

Titel: Bone 01 - Die Kuppel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O'Guilín
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brach zusammen, sobald die letzten Moossträhnen durchtrennt waren.
    Draußen in der Dunkelheit huschten Langzungen die Straße hinauf und hinunter. Auf ihrer schwarzen Haut glänzten Tröpfchen aus Dachschweiß. Sie achteten darauf, Abstand voneinander zu halten, und falls sie Begrüßungen austauschten, hielt es der Sprecher nicht für nötig, sie zu übersetzen. Irgendwann sahen sie eine Langzunge, die eine andere jagte, zwei dunkle Kleckse, die durch die Nacht hetzten. »Sei mein Geschlechtspartner!«, rief der Verfolger. »Ich werde dir Schmerzen zufügen! Sei mein Geschlechtspartner!«
    Dann verschwanden die zwei Schatten hinter einer Ecke.
    Keiner der Menschen wagte es, sich schlafen zu legen. Im weiteren Verlauf der Nacht beobachteten sie das Kommen und Gehen in diesem Revier mit zunehmender Faszination. Manchmal gab es Kämpfe, die bis zum Tod eines Gegners und in völliger Stille geführt wurden, ohne dass die Menschen einen Grund dafür erkennen konnten. Doch meistens schoben sich die Wesen einfach aneinander vorbei. Viele verließen den Bereich durch die Tore. Gegen Morgen kehrten sie zurück, auf dem Rücken in Moos gewickelte Bündel, die sich wanden und zuckten. Stolperzunge fragte sich, ob Steingesicht ihnen wirklich gefolgt war, wie er angedroht hatte. Vielleicht steckte er jetzt in einem dieser Kokons.
    Als es dämmerte, waren die Straßen wieder leer, und bald fiel genug Licht durch die Fenster, um ihnen einen ersten klaren Blick auf eins der Wesen zu ermöglichen. Der Kadaver lag in einer Blutpfütze im Vorraum. Die lange, schaftförmige Zunge hatte sich an der Speerspitze gespalten. Winzige Gliedmaßen hielten die Zunge, als hätte das Wesen versucht, die Blutung zu unterbinden. Dieser Anblick erschütterte Stolperzunge, obwohl er nicht sagen konnte, warum. Dann bemerkte er etwas Seltsames.
    »Auf dem Blut ist kein Moos!«, rief er. Und das Blut war auch nicht getrocknet, wie es mit menschlichem Blut längst geschehen wäre. Stolperzunge forderte die anderen auf, aus dem Weg zu gehen. Er trat zwei Schritte zurück und sprang dann quer durch den Raum auf die Leiche der Langzunge zu.
    »Bist du wahnsinnig?«, schrie Indrani.
    Das Moos fing ihn etwa eine halbe Mannslänge von seinem Ziel entfernt auf und hielt seine untere Körperhälfte fest. Dann streckte er eine Hand aus und schaffte es gerade, einen Finger in die Blutpfütze zu tauchen. Die Flüssigkeit kribbelte, schmerzte aber nicht. Als er mit dem Finger das Moos berührte, teilten sich die Fäden, als wären sie aus Wasser. Nach wenigen Herzschlägen hatte er sich befreit und setzte die Arbeit fort, bis er den Rest des Mooses, der ihn von seinen Begleitern trennte, zum Schmelzen gebracht hatte.
    »Helft mir, die Langzunge zu schlachten«, sagte er.
    Zartlingfutter räusperte sich. »Ich sollte jetzt gehen.«
    »Nein!«, sagte Stolperzunge. »Nicht ohne den Fleischanteil, der dir zusteht. Wir können nicht mehr tragen, als wir bereits haben. Du könntest vielleicht einige der Organe nehmen …«
    Die beiden Männer machten sich am Kadaver zu schaffen, während Indrani verunsichert im Hintergrund stand. Als sie fertig waren, teilten sich die Männer etwas, das vielleicht eine Leber war. Stolperzunge wusste, dass Indrani sich vor Blut ekelte, außerdem waren innere Organe traditionell jagenden Männern und schwangeren Frauen vorbehalten.
    Zartlingfutter warf sich ein Drittel des Fleisches über die Schulter. Aber Stolperzunge wollte ihn nicht gehen lassen, bevor er ihm ein Stück Haut zurechtgeschnitten und mit dem Blut der Bestie getränkt hatte.
    »Behalte es für den Rückweg bei dir. Ich bin mir sicher, dass sie an jedem Baum zwischen hier und zu Hause Moos angebracht haben.«
    Stolperzunge spürte einen kleinen Kloß in der Kehle, als er von »zu Hause« sprach. Er verdrängte das Gefühl, als Zartlingfutter ihm überschwenglich dankte und versprach, beim Stamm ein gutes Wort für ihn einzulegen.
    Nachdem bereits drei Zehntel des Tages vergangen waren, machten sie sich auf den Weg durch die unheimlichen Straßen von Langzungen-Wege. Die Häuser wurden immer größer, je weiter sie kamen. Aus vier Zimmern wurden fünf und schon bald acht oder zehn. Manche Häuser hatten Balkone, andere schräge Dächer oder solche, die wie eine umgedrehte Schüssel aussahen. Die Bauarten unterschieden sich sehr in den verschiedenen Bereichen, und einmal gingen die beiden eine Straße entlang, an der jedes Haus völlig anders als die benachbarten aussah.

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