Bony und die weiße Wilde
alle Höhlen?«
»Nur keine Angst, Nat. Zwischen dem Leuchtturm von Leeuwin und diesem Kliff gibt es mehr Höhlen und Löcher als Losröllchen in einer Lotterietrommel sind, und so eine Lotterietrommel habe ich mal gesehen.«
»Dann wählen Sie eine, die gegenüber der Fronttür liegt, und wir kampieren oben darüber auf dem Kliff. Dort in der Nähe muß Marvin stecken.«
»Gleich auf dieser Seite ist eine Höhle, von der ich und Fred annehmen, daß Marvin sie benützt. Und hier in der Nähe kenne ich eine, die sogar im Felsen eine Wasserstelle besitzt«, antwortete Lew.
»Wir müssen unser Lager ganz in der Nähe der Stelle aufschlagen, an der die Taschenlampe gesehen wurde. Wenigstens für den Anfang. Später sehen wir dann weiter.«
»Ich hätte einen Hund mitbringen sollen. Hunde haben eine bessere Witterung als wir.«
»Offen gestanden bezweifle ich, daß Hunde eine bessere Nase haben als Sie, Lew. Wir wollen uns Zeit lassen.«
»Schön. Dann könnten wir uns eigentlich auf den Weg machen und lieber noch eine Rast einlegen, falls wir zu früh zur Fronttür kommen. Wenn ich einmal etwas zur Seite gehen sollte, dann nur, um eine bessere Witterung zu haben. Marvin ist ja ein alter Bekannter für mich.«
Sie machten sich wieder auf den Weg. Bony ließ den Eingeborenen so weit vorangehen, daß er ihn manchmal sogar aus den Augen verlor. Das Tosen der Brandung übertönte jedes andere Geräusch. Schließlich begann es zu dämmern, und die Umrisse der Teesträucher hoben sich gegen den unmerklich heller werdenden Himmel ab. Neben einem der Sträucher wartete Lew.
»Ich glaube nicht, daß jemand in der Nähe ist«, sagte er leise. »Gehen wir weiter?«
»Ich denke, es ist besser.«
Eine halbe Stunde später konnte man auch den Boden zwischen den Sträuchern erkennen, ebenso wie die Kliffkante, die eine scharfe Silhouette gegen die See bildete. Bony wurde langsam ungeduldig. Schließlich trat Lew aus einem Teestrauch hervor und winkte.
»Diese Stelle ist günstig, Nat. Kommen Sie herein. Hier bleiben wir, bis es heller ist.«
Unter dem Teestrauch herrschte völlige Finsternis. Sie warteten, bis es so hell geworden war, daß sie die krummen Zweige und die am Boden liegenden trockenen Ästchen und Blätter erkennen konnten. Schließlich schwanden die letzten Schatten, und sie konnten sich einen günstigen Lagerplatz direkt am Rande des Kliffs wählen.
Als Bony die Blätter des Strauches auseinanderschob, sah er die See unter sich liegen. Im Augenblick schien sie ihren Höchststand erreicht zu haben. Zur Linken konnte er den im Zickzack verlaufenden Pfad erkennen. Jenseits verhinderte ein überhängender Felsen jeden Abstieg.
»Direkt unter uns befindet sich eine geräumige Höhle«, sagte Lew. »Sie ist langgestreckt und hat mehrere Räume, wie ein richtiges Haus, und außerdem mehrere Zugänge. Wäre geradezu ideal für ihn.«
Bony wog das Für und Wider ihres Lagerplatzes ab. Der Weg von der Lagunenfarm zum Strand führte nicht unmittelbar hier vorbei, andererseits müßten sie in ihrem Rücken ständig mit einer Überraschung rechnen, da man sich von hinten unbemerkt ihrem Teestrauch nähern konnte. Er war deshalb der Ansicht, daß Lew einen günstigeren Platz hätte aussuchen können, entschloß sich aber, zunächst ein paar Stunden hierzubleiben. Er kroch an den landeinwärts liegenden Rand des Teestrauches und hatte von hier einen ungehinderten Blick auf den Hügel mit den drei sich klar abhebenden Bäumen. Der Signalzweig stand in Ausgangsstellung.
Nach dem Frühstück wies Bony den Eingeborenen an, bis Mittag zu schlafen. Lew legte seinen Kopf auf die Deckenrolle und schlief auf der Stelle ein.
Während des Vormittags beobachtete Bony abwechselnd Strand und Hügel. Nach dem Mittagessen schlief er bis zum späten Abend. Lew übernahm inzwischen die Wache, hatte aber keinerlei Vorkommnisse zu melden. Die untergehende Sonne durchbrach die Wolkendecke und tauchte die Felsbarriere von Australiens Fronttür in rotes Licht, bis schließlich der Mond herauskam.
Während der Nacht beobachteten die beiden Männer abwechselnd den Pfad, der an der Kliffwand hinab zum Strand führte. Als schließlich der Morgen anbrach, hing der Himmel voller Wolken, und das Meer lag grau und bleiern vor ihnen.
»Es gibt Sturm«, prophezeite Lew. »Marvin sitzt da unten schön warm und trocken, während wir uns gegenseitig werden auswringen können.« Er verzog das Gesicht.
»Wir verdienen unser Geld nicht so leicht, Lew.
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