Bookman - Das ewige Empire 1

unheimlichen Schlupfwinkel des Bookman gesehen
hatte. Hier gab es zwar keinen See, dafür aber einen seltsamen Wald. Es dauerte
eine Weile, bis er begriff, was da aus der warmen, feuchten Erde wuchs – keine
Bäume, sondern Pilze.
    Abermals fiel ihm Vernes Geschichte ein. War der Schriftsteller etwa
doch hier gewesen? Denn von irgendwoher musste er seine Kenntnisse gehabt
haben, die, so phantasievoll sie auch ausgeschmückt sein mochten, dennoch der
Wahrheit entsprachen. Oder hatte er alles aus zweiter Hand erfahren und den
Rest hinzugedichtet?
    Die Pilze waren mannsgroß und mindestens so voluminös wie Jules
Verne, wie Orphan mit einem Lächeln konstatierte. Ihre Farben variierten.
Manche waren kalkweiß, einige grau, andere gelb oder erdbraun. Ob sie auf
natürliche Weise hier wuchsen? Oder waren sie gar auf irgendeine Art durch die
Explosion entstanden, die vor Zeiten den riesigen Krater verursacht hatte?
    Er bemerkte, dass Elizabeth, die Arme in die Hüften gestemmt,
ungeduldig zu ihm hochblickte. »Komm weiter!«, sagte sie und ging voran in den
Pilzwald.
    Als Orphan ihr folgte, nahm er zwischen den Riesenpilzen Menschen
wahr, Männer und Frauen, die jedoch nur undeutlich zu erkennen waren. Sie
schienen mit den Schatten zu verschmelzen und eilig davonzuhuschen, als wollten
sie nicht gesehen werden. Sie hatten lange gebogene Messer in der Hand, die ein
wenig an Sensen erinnerten, was ihn nervös machte. Doch offenbar wollten sie
ihm nichts Böses, und es dauerte nicht lange, bis er bemerkte, dass jeder auch
einen Korb dabeihatte, den sie nach und nach mit den Pilzbrocken füllten, die
sie zuvor mit ihrem Messer abgesäbelt hatten.
    Eine seltsam heimelige Szene, fand Orphan, ein Eindruck, der sich
noch verstärkte, als sie aus dem Pilzwald traten und eine Ansammlung von Hütten
erreichten, die eine Art Miniaturdorf bildeten.
    In der Mitte des kleinen Dorfes machte Elizabeth halt. Von den
Riesenpilzen wehte ein leicht muffiger, wenn auch nicht unangenehmer Geruch
herüber. Orphan öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Da bemerkte er, dass sie
nicht mehr allein waren.
    Aus der Dunkelheit kamen Männer und Frauen und umringten sie. Sie
trugen schäbige, schlecht sitzende Kleidung, ähnlich beschaffen wie Elizabeths
Overall. Obwohl er sie nur undeutlich wahrnehmen konnte, spürte er, dass sie
ihn nicht aus den Augen ließen. Er sagte kein Wort, ließ die Arme sinken und
kehrte die Handflächen nach vorn, um so harmlos wie möglich zu wirken.
    Nach einer Weile kam eine alte Frau auf ihn zugeschlurft. Ihr
verhutzelter Körper war in ein dunkles Tuch gehüllt. Sie musterte ihn mit
neugierigem, aufmerksamem Blick. Als sie sprach, wandte sie sich jedoch nicht
an ihn, sondern an das Mädchen.
    Â»Wo bist du gewesen, Elizabeth?«
    Verlegen scharrte die Kleine mit dem Fuß auf der Erde. »Draußen. Um
mich ein bisschen umzusehen.«
    Â»Du weißt doch, dass du die Tunnel nicht verlassen sollst!«
    Das Mädchen zuckte die Achseln. Übermäßig besorgt schien sie nicht
zu sein, was Orphan von sich selbst nicht gerade behaupten konnte.
    Â»Wer ist das?«, fragte die alte Frau, während sie auf Orphan zeigte.
»Kann mich nicht an dein Gesicht erinnern, junger Mann.«
    Ich arbeite auf der anderen Seite der Insel, wollte Orphan sagen,
doch Elizabeth kam ihm zuvor.
    Â»Er ist Pirat, Großmama!«, platzte es aus ihr heraus.
    Die alte Frau stieß ein Schnauben aus. »Komm her, mein Junge.«
    Orphan trat vor sie. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. Obwohl
sie nur leicht zudrückte, verstand er gleich, was sie wollte. Er kniete vor ihr
nieder, damit sie sein Gesicht betrachten konnte. »Merkwürdig …«, sagte sie,
während sie es abtastete. Die anderen sahen schweigend zu. Dann wich sie mit
verblüffter Miene ein Stück zurück.
    Â»Wer bist du?«, fragte sie mit erhobener Stimme. Der Kreis der
Zuschauer schien sich enger um Orphan zu schließen, als stellte er eine Gefahr
dar.
    Â»Das habe ich dir doch gerade erzählt«, sagte Elizabeth ungehalten,
die von dieser seltsamen Zeremonie in keiner Weise beeindruckt schien. »Er ist
aus dem Meer gekommen. Ich habe ihn im Wald gefunden.«
    Â»Red keinen Unsinn«, erwiderte die Frau, während sie – wie um sich
zu vergewissern – Orphans Gesicht abermals betrachtete. »Er sieht fast aus wie
einer von