Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
einen Kessel in eine Bombe zu verwandeln. Nachdem sie ihre Pläne für den Typ 3 zusammengerafft hatte, war sie einfach die nächstgelegene Treppe hinaufgestiegen.
Im Herrenhaus angekommen, war Sophia erstarrt angesichts des Wahnsinns, der sich dort vor ihren Augen abspielte. Mitglieder der Bruderschaft stürzten wie wahnsinnig auf die Tür zu, die Ehemänner zogen ihre Frauen hinter sich her, die wiederum mit ihrem Gepäck zu kämpfen hatten. Als wäre ihre Garderobe ebenso viel wert wie ihr Leben. Um sie herum benahmen sich die Dienstboten wie Geier an einem Kadaver, schnappten wahllos nach allem, was sie kriegen konnten.
Sie hatte einen Moment innegehalten, um das Spektakel zu genießen.
Und diese Schwelgerei war sie teuer zu stehen gekommen. Denn plötzlich ließ eine weitere Explosion das Haus so heftig erzittern, dass der große Kronleuchter in dem Raum, in dem sie Schutz gesucht hatte, zu Boden krachte und dann auf sie zurollte und sie schließlich in der sicher gewähnten Ecke festhielt. An der Decke hatte er so zierlich gewirkt, aber sein kunstvoller Zierrat und sein beachtliches Gewicht hatten es ihr schwer gemacht, ihn wegzuschieben. Dann gab es unter ihr einen dumpfen Knall, der das Monstrum kurz aufhüpfen ließ. Dadurch bekam Sophia ihn richtig zu fassen und konnte sich aus der Ecke befreien. Sobald sie diese tödliche Falle hinter sich gelassen hatte, versicherte sie sich, dass die Pläne für den Typ 3 noch in ihrem Mieder steckten, und trat schleunigst den Rückzug an.
Das war der eine, kleinere Fehler gewesen – aber sie hatte ihn überlebt. Nun blieb abzuwarten, ob sie den zweiten ebenfalls überleben würde.
Wieder in ihrem Hotel hatte sie sich einen der besten Jahrgangsweine dieses Etablissements gegönnt. Der Phönix mochte verbrannt und in die Asche zurückgekehrt sein, aber sie war entkommen, und zwar mit dem größten Teil ihres Honorars und obendrein mit den Konstruktionszeichnungen für immerhin ein originelles Gerät, das ihrem anderen Auftraggeber die eine oder andere Münze wert sein sollte.
Womöglich stellte Typ 3 den glanzvollen Abschluss ihrer Karriere dar, hatte sie sich gedacht, ihren Abschied von der Welt der Spionage. Diese technische Neuheit konnte ihre Eintrittskarte in ein ruhigeres Leben voller Luxus sein.
Für gewöhnlich trank sie höchstens ein Glas Wein, doch angesichts ihres unerwarteten Beutesegens wollte sie ein wenig riskieren und sich die ganze Flasche genehmigen. Zudem war es ein italienischer Wein, und es wäre doch ein Verbrechen gewesen, einen so köstlichen Tropfen aus ihrer Heimat umkommen zu lassen.
Während ihres vierten Glases brach plötzlich jemand das Türschloss auf. Zielstrebig betrat eine dunkle Gestalt ihr Zimmer und kam, ohne sich auch nur einmal umzusehen, geradewegs auf sie zu. Ob Sophias Zögern dem Schreck zuzuschreiben war oder dem Alkohol, spielte keine Rolle. Es war ein Zögern, so oder so.
In der Gewissheit, dass sie keinesfalls rechtzeitig an ihre Revolver herankommen würde, streckte sie den Arm nach vorn, löste ihren Panzerhandschuh aus und feuerte ein paar tödliche Wurfsterne ab.
Der hochgewachsene Mann wich ihnen einfach aus, als wären es Steine, die ein Kind nach ihm geworfen hatte.
Sofort stieß Sophia den anderen Arm nach vorn, sodass das verborgene Stilett hervorschnellte und ihr die Manschette der Bluse zerschnitt. Sie war auf ihn losgegangen, doch der Eindringling hatte ihre Arme einfach beiseitegeschlagen. Er trug ebenfalls Panzerhandschuhe, wie sie an dem metallischen Klirren erkannte.
Für einen Gegner war er ihr entschieden zu nah gekommen, und als er sie mit dem Unterarm am Kinn traf, war das harte, unter seinem Abendmantel verborgene, kalte Messing deutlich zu spüren. Der zweite Schlag traf sie an der Schläfe und raubte ihr das Bewusstsein.
Ausrechnet sie hatte sich in einem Hotel überrumpeln lassen? War wie ein Sack Wäsche davongeschleppt worden? Nur Amateure machten solche Fehler – wie diese Idioten vom Hause Usher.
Soll das etwa ihre Rache sein, dachte sie unverzüglich, für Alexander und seine Männer? Konnte das Haus Usher sie tatsächlich erneut aufgespürt haben, und versuchte es nun, seinen Ruf zu retten? In ihrem Gewerbe kam es durchaus vor, dass unzufriedene Klienten gelegentlich Kollegen aufeinander ansetzten.
Aber dieser Mann war kein Kollege gewesen. Offen gestanden hatte sie nicht die mindeste Ahnung, wer oder was er war. Kein Mann und keine Frau ihres Metiers bewegte sich auf solche
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