Boomerang
Anlagenpreise unendlich weiter steigen würden. Zwischen 2002 und 2007 verfünfzigfachten sich die ausländischen Besitzungen der Isländer. Sie kauften Privatjets und |38| Drittwohnungen in Kopenhagen und London. Für Dienstleistungen, von denen zuvor in Island niemand auch nur geträumt hatte, legten sie gewaltige Summen auf den Tisch. »Ein Typ hat zu seiner Geburtstagsfeier Elton John einfliegen lassen, damit der zwei Lieder singt. Dafür hat er eine Million Dollar hingeblättert«, erzählt mir Steingrimur Sigfússon, Parteichef der Grünen, noch immer ungläubig. »Angeblich hat er furchtbar gesungen.« Die Isländer kauften Anteile an Unternehmen, von denen sie keine Ahnung hatten, und schrieben den Firmen vor, was sie zu tun hatten – genau wie amerikanische Investmentbanker! Eine Investmentbank namens FL Group, einer der Hauptaktionäre von Glitnir, erwarb 8,25 Prozent an der Eigentümergesellschaft von American Airlines. Keiner der Mitarbeiter der FL Group hatte je auch nur eine Fluggesellschaft von innen gesehen. Das hinderte sie jedoch nicht daran, American Airlines Vorschriften zu machen. »Nach einer ausführlichen Beobachtung des Unternehmens«, so FL-Group- Vorstand Hannes Smárason, Absolvent der Sloan School des MIT, wenige Wochen nach dem Kauf der Anteile, »schlagen wir eine Liquidierung von Vermögenswerten vor. Die Erlöse können zum Abbau von Schulden oder zur Auszahlung von Dividenden an die Aktionäre verwendet werden.«
Beim Kauf von Unternehmen gingen die Isländer nicht sonderlich wählerisch vor. Ich sprach mit einem Hedgefonds-Manager in New York, der Ende 2006 eine vermeintlich leichte Beute ausgemacht hatte: eine schwächelnde skandinavische Bank. Mit Leerverkäufen wettete er auf einen weiteren Kursverfall, als plötzlich aus dem Nichts Kaupthing auftauchte, 10 Prozent dieser beinahe zahlungsunfähigen Bank aufkaufte und damit die Kurse in lächerliche Höhen trieb. Ein Hedgefonds in London war derart verwirrt angesichts der vielen katastrophalen |39| Unternehmenskäufe der Isländer, dass er Privatdetektive anheuerte, um herauszufinden, was denn mit dem isländischen Finanzwesen los war. Die Ermittler legten ihren Auftraggebern ein kunstvoll gewobenes Netz miteinander verbundener Einrichtungen vor; ihre Ergebnisse lassen sich ungefähr so zusammenfassen: Ein paar isländische Jungs, die keine Ahnung vom Finanzwesen hatten, nahmen im Ausland kurzfristige Kredite in Höhe von zig Milliarden Dollar auf. Dieses Geld liehen sie sich gegenseitig und verliehen es weiter an ihre Freunde, um damit Anlagen zu kaufen – Banken, Fußballmannschaften und so weiter. Da die Anlagenwerte in aller Welt stiegen – unter anderem, weil Leute wie diese isländischen Irren verrückte Summen dafür bezahlten –, sah es so aus, als würden sie Geld verdienen.
Einer der Hedgefonds-Manager aus London erklärte mir das Prinzip des isländischen Bankwesens so: Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Hund, ich habe eine Katze. Wir einigen uns darauf, dass beide eine Milliarde Dollar wert sind. Sie verkaufen mir den Hund für eine Milliarde, ich verkaufe Ihnen die Katze für eine Milliarde. Jetzt sind wir keine Haustierbesitzer mehr, sondern isländische Banken mit einem Milliardenvermögen. »Sie haben falsches Kapital geschaffen, indem sie untereinander Anlagen zu völlig überzogenen Preisen gehandelt haben«, erklärte er. »Auf diese Weise sind die Banken und Investmentbanken immer weiter gewachsen. Aber auf dem internationalen Markt waren sie Leichtgewichte.«
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Als Tony Shearer, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der britischen Handelsbank Singer & Friedlander, am 3. Februar vor einem Untersuchungsausschuss vor dem Unterhaus aussagte, |40| gab er einen kleinen Einblick, wie eine feindliche Übernahme durch eine isländische Bank aussah.
Singer & Friedlander wurde im Jahr 1907 gegründet und unter anderem deshalb berühmt, weil hier George Soros laufen gelernt hatte. Im November 2003 erfuhr Shearer, dass Kaupthing – eine Bank, von deren Existenz er bis dahin nie gehört hatte – soeben 9,5 Prozent seiner Bank aufgekauft hatte. Wenn eine Bank eine andere übernimmt, versucht sie in der Regel, Auskünfte über sie einzuholen. Shearer bot daher Kaupthing-Vorstand Sigurður Einarsson an, sich mit ihm zu treffen, doch Sigurður war nicht interessiert. Als Kaupthing ihren Anteil auf 19,5 Prozent aufstockte, flog Shearer nach Reykjavík, um sich diese sonderbaren Isländer einmal aus der Nähe
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