Boomerang
verdient haben.
In einem Aufsatz 1 versuchte der Wirtschaftswissenschaftler H. Scott Gordon zu erklären, »warum Fischer nicht reich sind, obwohl die Ressourcen des Meeres zu den reichsten der Welt gehören«. Das Problem ist ganz einfach: Da der Fisch allen |51| gehört, gehört er niemandem. Jeder kann so viel davon fangen, wie er mag, weshalb die Fischer so viel davon aus dem Meer ziehen, dass die Fischerei unrentabel wird, und zwar für alle. »Jeder Fischer träumt vom ›großen Fischzug‹«, schrieb Gordon. »Wer Fischer kennt, der weiß, dass sie Spieler und unverbesserliche Optimisten sind.«
Mit anderen Worten haben Fischer große Ähnlichkeit mit amerikanischen Investmentbankern. Mit ihrem übersteigerten Optimismus machen sie nicht nur sich selbst arm, sondern sie überfischen außerdem noch die Meere. Nationale Fangquoten allein lösen das Problem nicht, denn sie verschärfen lediglich die Konkurrenz und senken die Gewinne. Es geht nicht darum, die Fischer zum Kauf immer größerer Netze und Boote zu animieren. Das Ziel besteht vielmehr darin, mit dem geringstmöglichen Aufwand die größtmögliche Zahl von Fischen zu fangen. Um das zu erreichen, sind staatliche Regelungen erforderlich.
Aufgrund dieser einfachen Einsicht wurde Island, das noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts eines der ärmsten Länder Europas war, zu einem der reichsten Länder der Welt. Die Wende kam Anfang der 1970er Jahre, nachdem der Fang zwei Jahre in Folge miserabel ausgefallen war. Als die Fischer ein weiteres Mal ohne den üblichen Fang zurückkamen, griff die isländische Regierung zu einer drastischen Maßnahme: Sie privatisierte die Fischbestände. Jeder Fischer erhielt eine bestimmte Fangquote, die sich an seinen früheren Erträgen orientierte. Nehmen wir an, ein erfolgreicher Fischer bekommt ein Stück Papier, das es ihm erlaubt, jedes Jahr 1 Prozent des erwarteten Fangs aus isländischen Gewässern zu ziehen. Zu Beginn jeder Saison ermitteln Wissenschaftler vom Nationalen Meeresforschungszentrum, wie viel Kabeljau und Schellfisch in diesem |52| Jahr gefangen werden darf, ohne langfristig die Bestände zu gefährden. Doch der Anteil unseres Fischers bleibt derselbe, und das Stückchen Papier gibt ihm bis in alle Ewigkeit ein Anrecht auf seinen Anteil.
Aber es kommt noch besser: Wenn unser Fischer selbst keinen Gebrauch von seinem Anteil machen will, kann er ihn an einen Kollegen weiterverkaufen. So gelangten die Quoten in die Hände der Leute, denen sie am meisten nutzten, nämlich in die der besten und effizientesten Fischer. Der Fischer konnte seine Quote auch zur Bank bringen und als Sicherheit für einen Kredit hinterlegen, und die Bank konnte dem Fang, den er konkurrenzlos aus den reichsten Kabeljau-Fanggründen der Welt nach Hause brachte, einfach einen Geldbetrag zuweisen. Damit war der Fisch nicht nur privatisiert, sondern sogar versichert.
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Das war natürlich furchtbar unfair: Ein Gemeingut – die Fische der isländischen Hoheitsgewässer – wurde einfach an eine Handvoll glücklicher Isländer übergeben. Über Nacht hatte Island seine ersten Millionäre, und zwar ausschließlich Fischer. Trotzdem war die Maßnahme ein Geniestreich: Plötzlich war aus den Fischen, einer bis dahin unsicheren Einkommensquelle, die Grundlage für realen und nachhaltigen Wohlstand geworden. Weniger Menschen verwendeten weniger Energie auf den Fang und fischten nur so viel, dass der Wert der isländischen Bestände langfristig gesichert blieb. Der neue Wohlstand veränderte Island von Grund auf und machte aus einer abgelegenen Insel, die 1100 Jahre lang vor sich hin gedümpelt hatte, ein modernes Land, das Björk hervorbrachte. Wenn Island für seine Musiker bekannt wurde, dann vor allem deshalb, weil die Isländer plötzlich Zeit hatten, sich mit |53| Musik und anderen schönen Dingen zu beschäftigen. Die isländische Jugend wurde mit Stipendien zum Studium ins Ausland geschickt und kehrte mit bis dahin unbekannten Qualifikationen nach Hause zurück. Dank der neuen Fischereipolitik wurde Island zu einer Maschine, die aus Schellfisch Doktortitel machte.
Das schafft natürlich ein gewisses Problem: Menschen mit Doktortiteln wollen ihren Lebensunterhalt nicht im Fischfang verdienen. Sie suchen andere Beschäftigungen.
Vermutlich wollen sie auch nicht in der Industrie arbeiten, in der die zweite natürliche Ressource Islands ausgebeutet wird: die Energie. Die Wasserfälle und die kochende Lava setzen gewaltige Mengen
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