Boomerang
lassen sich nicht alle auf einen Ursprung zurückführen, doch seine Abschottung gehört auf jeden Fall zu den Hauptursachen. Auch Dinge, die andere effizienter erledigen könnten, werden hier selbst besorgt. Interaktionen mit anderen Ländern, an denen sich die Griechen zum eigenen Vorteil beteiligen könnten, kommen schlicht nicht vor. Vor diesem Hintergrund bildete das Kloster Vatopedi eine krasse Ausnahme: Es unterhielt Beziehungen zur Außenwelt. Besondere Berühmtheit erlangte es vor dem Skandal, weil Prince Charles drei Sommer hintereinander jeweils eine Woche hier verbrachte.
Kontakte zu den Reichen und Berühmten waren eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Vatopedi staatliche Zuschüsse und Reparationszahlungen für die Plünderungen erhalten |95| konnte – aber auch für die dritte Initiative im Rahmen der Strategie des neuen Managements: Immobilien. Pater Efraims mit Abstand klügster Einfall war die Durchforstung eines alten Turms, in dem byzantinische Manuskripte ruhten, die jahrzehntelang niemand mehr in die Hand genommen hatte. Im Laufe der Jahrhunderte hatten byzantinische Kaiser und andere Herrscher Vatopedi verschiedene Liegenschaften übertragen – hauptsächlich im heutigen Griechenland und in der Türkei. In den Jahren vor Efraims Ankunft hatte sich die griechische Regierung diese Besitztümer größtenteils zurückgeholt, doch es lag nach wie vor ein dokumentierter Besitzanspruch auf einen See in Nordgriechenland vor, der im 14. Jahrhundert von Kaiser Johannes V. Palaiologos übertragen worden war.
Als Efraim die Besitzurkunde für den See in den Archiven Vatopedis entdeckte, war dieser von der griechischen Regierung bereits zum Naturschutzgebiet erklärt worden. 1998 galt das aber plötzlich nicht mehr. Irgendjemand hatte die Ausweisung als Schutzgebiet nicht rechtzeitig erneuert. Kurz darauf erhielten die Mönche alle Eigentumsrechte an dem See.
Wieder in Athen, spürte ich Peter Doukas auf, den Vertreter des Finanzministeriums, an den sich die Mönche von Vatopedi eingangs gewendet hatten. Doukas steht inzwischen im Mittelpunkt zweier parlamentarischer Untersuchungen, war jedoch eigenartigerweise der einzige Regierungsangehörige, der bereit war, offen über das Geschehene zu sprechen. (Er ist übrigens nicht in Athen, sondern in Sparta geboren – aber das ist womöglich eine andere Geschichte …) Anders als die meisten griechischen Regierungsbeamten war Doukas kein Berufspolitiker, sondern hatte sein Geld im In- und Ausland in |96| der privaten Wirtschaft verdient, bis er 2004 auf die Bitte des Premierministers hin einen Posten im Finanzministerium übernahm. Damals war er 52 Jahre alt und hatte den größten Teil seines Berufslebens bei der Citigroup in New York zugebracht. Er war groß, blond, extrovertiert, offenherzig und humorvoll. Doukas war dafür verantwortlich, dass Griechenland überhaupt langfristige Staatsschulden aufnahm. Als die Zinsen noch niedrig waren und es niemand als Risiko betrachtete, dem griechischen Staat Geld zu leihen, überredete er seine Vorgesetzten zur Auflegung von Anleihen mit 40 und 50 Jahren Laufzeit. Danach wurde er zwar in griechischen Tageszeitungen scharf angegriffen (DOUKAS VERPFÄNDET DIE ZUKUNFT UNSERER KINDER), doch sein Manöver war ausgesprochen clever gewesen. Die langfristigen Anleihen über mehr als 13,5 Milliarden Euro werden derzeit für die Hälfte ihres Nennwerts gehandelt. Will heißen, die griechische Regierung könnte sie auf dem offenen Markt zurückkaufen. »Ich habe ihnen damit fast sieben Milliarden Euro Handelsprofit verschafft«, lacht Doukas. »Man sollte mir eigentlich eine Prämie zahlen!«
Bald nachdem Doukas seinen neuen Posten übernommen hatte, tauchten unangemeldet zwei Mönche in seinem Büro im Finanzministerium auf. Der eine war Pater Efraim, von dem Doukas schon gehört hatte. Der andere, der sich Pater Arsenios nannte, war ihm unbekannt, doch offenbar die treibende Kraft hinter der Aktion. Ihnen gehöre da dieser See, erklärten die beiden, und sie hätten vom Finanzministerium gern Bargeld dafür. »Jemand hatte ihnen das uneingeschränkte Eigentumsrecht an dem See übertragen«, berichtet Doukas. »Und jetzt wollten sie Kasse machen. Sie kamen zu mir und fragten: ›Können Sie uns auszahlen?‹« Sie hatten sich gut auf |97| dieses Gespräch vorbereitet, wie Doukas merkte. »Sie machen ihre Hausaufgaben, bevor sie jemanden aufsuchen – sie wissen
alles Mögliche
über Sie, über Ihre Frau, Ihre Eltern
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