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Boomerang

Boomerang

Titel: Boomerang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewis
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Anregungen –, und arbeitet damit.« Da fällt mir auf, dass seine Fenster auf |92| einen Balkon hinausgehen, mit Blick auf die Ägäis. Die Mönche dürfen nicht im Meer baden. Warum, habe ich nicht gefragt. Doch es sieht ihnen ähnlich, sich ein Haus am Strand zu bauen und den Strandgang zu verbieten. Mir fällt auch auf, dass nur ich allein Gebäck gegessen und Crème de Menthe getrunken habe. Mich beschleicht der Gedanke, dass ich womöglich auf die Probe gestellt wurde und der Versuchung nicht widerstanden habe.
    »Die ganze Regierung ist nach eigener Aussage nicht gut auf uns zu sprechen«, meint er. »Dabei haben wir nichts. Wir arbeiten für andere. Die griechischen Zeitungen bezeichnen uns als Unternehmen. Aber ich frage Sie, Michael – welches Unternehmen besteht seit 1   000 Jahren?«
    In diesem Moment platzt unvermittelt Pater Efraim herein. Rund, mit roten Backen und weißem Bart, sieht er aus wie der Weihnachtsmann. Er hat sogar dieses typische Augenzwinkern. Ein paar Monate zuvor war er zu einer Anhörung vor das griechische Parlament zitiert worden. Einer der Fragesteller sagte, die griechische Regierung habe unglaubliche Effizienz an den Tag gelegt bei dem Tausch gewerblicher Immobilien des Landwirtschaftsministeriums gegen den See von Vatopedi. Er fragte Efraim, wie er das zustande gebracht habe.
    »Glauben Sie an Wunder?«, hatte Efraim geantwortet.
    »Mehr und mehr«, entgegnete der griechische Abgeordnete.
    Als wir einander vorgestellt werden, ergreift Efraim meine Hand und hält sie lange in der seinen. Gleich würde er mich fragen, was ich mir zu Weihnachten wünsche, schießt es mir durch den Kopf. Stattdessen erkundigt er sich: »Welchem Glauben gehören Sie an?« »Der Episkopalkirche«, bringe ich |93| hervor. Er nickt. Er wägt ab: Es könnte schlimmer sein. Vermutlich ist es schlimmer. »Sind Sie verheiratet?«, will er wissen. »Ja.« »Haben Sie Kinder?« Ich nicke. Wieder wägt er ab:
Damit kann ich etwas anfangen.
Er fragt mich, wie sie heißen …
    ***
    Die zweite Untersuchung des Parlaments zur Vatopedi-Affäre steckt noch in den Anfängen und man kann nicht wissen, was dabei herauskommt. Doch die wesentlichen Fakten des Falls stehen nicht zur Debatte. Die wichtigste Frage, die es zu beantworten gilt, ist die nach den Motiven der Mönche und ihrer Handlanger unter den Staatsdienern. Ende der 1980er Jahre war Vatopedi eine einzige Ruine – ein Schutthaufen, auf dem sich die Ratten tummelten. Die Fresken waren schwarz, die Ikonen verwahrlost. Zwischen den alten Steinen streifte ein Dutzend Mönche umher, doch sie waren autonom und unorganisiert. In der Kirchensprache heißt das, sie dienten dem Herrn idiorhythmisch, was bedeutet, dass jeder für sich nach spiritueller Erfüllung strebte. Niemand übernahm Führungsverantwortung. Es gab kein kollektives Ziel. Ihre Beziehung zum Kloster glich quasi der Beziehung der griechischen Bürger zu ihrem Staat.
    Das änderte sich Anfang der 1990er Jahre, als eine Gruppe engagierter griechisch-zyprischer Mönche aus einem anderen Teil der Mönchsrepublik unter Führung von Pater Efraim die Chance zum Wiederaufbau eines fantastischen naturgegebenen Aktivpostens sah, der furchtbar schlecht bewirtschaftet worden war. Efraim machte sich daran, Geld zu sammeln, um Vatopedi wieder zu seiner alten Pracht zu verhelfen. Er wandte sich an die Europäische Union und zapfte Kulturfonds an. Er suchte die Nähe reicher griechischer Geschäftsleute, die auf |94| die Vergebung von Sünden erpicht waren. Er pflegte Freundschaften zu einflussreichen griechischen Politikern. Bei alledem bewies er unglaubliche Chuzpe. Als ein bekannter spanischer Sänger Vatopedi besuchte und Interesse bekundete, wusste Efraim das zu nutzen, um Beziehungen zu spanischen Regierungsvertretern zu knüpfen. Ihnen wurde von einem schrecklichen Unrecht berichtet: Im 14. Jahrhundert hatte eine Horde katalanischer Söldner, die sich mit dem byzantinischen Kaiser überworfen hatten, Vatopedi geplündert und großen Schaden angerichtet. Das Kloster erhielt daraufhin umgerechnet 180   000 Euro aus der spanischen Staatskasse.
    Die Strategie Efraims zielte ganz klar darauf ab, aus Vatopedi wieder das zu machen, was es im Byzantinischen Reich lange Zeit gewesen war: ein Kloster mit globalem Einfluss. Auch das unterschied Vatopedi von dem Land, in dem es lag. Trotz des Beitritts zur Europäischen Union ist Griechenland eine geschlossene Volkswirtschaft geblieben. Die Probleme des Landes

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