Borderlands
wusste nicht, wie alt der
Ring war, doch er sah aus, als ob eine Überprüfung sich lohnen könnte. Außerdem
wollte ich eine ungefähre Schätzung des Wertes, denn es passte nicht ins Bild,
dass ein Drogendealer wie Ratsy Donaghey oder jemand wie Angela Cashell einen
solchen Gegenstand besessen haben sollte.
Mein Vater sagte, er werde mich in fünf
Minuten zurückrufen. Eine halbe Stunde später war er dann am Apparat und sagte
mir, er habe einen Mann in Derry gefunden, Ciaran O’Donnell, der sich den Ring
ansehen würde. Ich verabredete mich für siebzehn Uhr mit den beiden in
O’Donnells Geschäft in der Spencer Road. Bis dahin würde Pat McLaughlin, so
hoffte ich, mit dem Ring fertig sein. Wie sich herausstellte, war er weit
früher damit fertig, denn etwa eine Stunde später kamen er und Williams mit der
Neuigkeit,
dass man nichts gefunden habe, in unser Büro. Es war mir ein Rätsel, warum die
beiden trotzdem so aufgeräumt wirkten. McLaughlin erklärte es mir.
»Ich musste
lachen, als sie mir den Ring gebracht hat. Haben Sie eine Ahnung, wie viele
Fingerabdrücke man normalerweise auf so einem Ring findet? Aber da war nichts.
Ist Ihnen klar, was das bedeutet?«
»Offensichtlich
nicht, sonst würde ich genauso breit grinsen wie Sie beide. Ich bin ganz Ohr«,
sagte ich.
»Denken Sie
mal nach, Detective. Ihre Fingerabdrücke sind nicht drauf, oder?«
»Natürlich
nicht. Ich hab ihn ja nicht berührt …«, erwiderte ich ungeduldig.
»Was ist mit
der Rechtsmedizinerin? Ihre Fingerabdrücke sind auch nicht drauf.«
»Weil sie bei
der Arbeit Handschuhe trägt«, erklärte ich mit wachsender Erregung, als mir die
Schlussfolgerung dämmerte.
»Genau. Und
das hat auch derjenige getan, der dem Mädchen den Ring auf den Finger geschoben
hat, denn sie hat es eindeutig nicht selbst getan. Da
war jemand sehr umsichtig, als er ihr den Ring angesteckt hat.«
Um siebzehn Uhr trafen wir meinen Vater und
Ciaran O’Donnell vor seinem Geschäft, einem kleinen alten Haus an einem Hang
abseits der Spencer Road in Derry. Der Hang fiel zum Foyle ab, der die Stadt in
zwei Hälften teilt. Der Laden war über Weihnachten geschlossen gewesen und
eisig kalt, sodass meine Finger steif und blau froren und ich mir die Ärmel
meines Mantels über die geballten Fäuste zog. Die Luft war muffig und feucht
trotz des süßlichen Geruchs nach Möbelpolitur, der von sämtlichen Oberflächen
ausging.
O’Donnell war ein alter Mann und von der
Mitte der Wirbelsäule an leicht gebeugt. Seine Haare wuchsen symmetrisch in
grauen und weißen Büscheln zu beiden Seiten seines oben kahlen Schädels. Er
trug eine dicke Brille, die er abnahm, um den Ring zu untersuchen, wobei er
sich eine Juwelierslupe ins rechte Auge klemmte. Er setzte sich an einen alten
Eichenholzschreibtisch und schaltete eine kleine Lampe ein. Dann untersuchte er
den Ring einige Minuten lang ausführlich, drehte ihn hin und her und bürstete
sachte mit einem Werkzeug darüber, das einer Miniaturzahnbürste glich.
Daraufhin legte er den Ring auf den Tisch und zog ein grünes Buch aus einem
Regal in der Zimmerecke. Er trug das Buch zum Schreibtisch, klemmte sich die
Lupe wieder ins Auge, kniff das linke Auge zu, betrachtete den Ring erneut,
kniff dann das rechte Auge zu und las in dem Buch. Schließlich war er
zufrieden, legte alles vor sich auf den Schreibtisch und rief uns zu
sich.
»Ein
interessantes Stück«, begann er. »Das ist ein Achtzehn-Karat-Goldring mit einem
eingelegten Mondstein, umgeben von zwölf Diamanten mit Rosenschliff. Das
Interessante daran ist – nun ja, eigentlich sind es zwei Punkte: Einer der
Diamanten ist ausgetauscht worden. Eine sehr ordentliche Arbeit, aber er stammt
aus einer anderen Quelle: In diesem Licht ist er schwach rosa getönt. Der
andere Punkt ist nicht eigentlich interessant, aber der Ring ist keine
Antiquität. Ich würde sagen, er ist höchstens dreißig Jahre alt.«
»Irgendeine
Idee, woher er stammen könnte?«, fragte Williams.
»Tja, in dem
Punkt habe ich eine gute Nachricht für Sie«, meinte er. »Er wurde in Donegal
gemacht. Genauer gesagt bei Hendershot & Sons. In den 70er und 80er Jahren
waren das sehr exklusive Juweliere, aber in letzter Zeit sind sie in der
Versenkung verschwunden.«
»Woher wissen
Sie das?«, fragte ich, während mein Vater lächelnd nickte.
»Eigentlich
ganz einfach. Sie haben neben dem Stempelzeichen für Gold ihr eigenes Zeichen
hinterlassen.«
»Was ist mit
der Gravur, dem › AC ‹?«, fragte
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