Borderline ein Narco-Thriller
massiert die brennenden Augen.
Beinahe blind, nur hell blitzende Sterne sehend, hört er plötzlich das Getrampel schwerer Stiefel, die die Treppe zu ihm hinaufsprinten.
„Patilla?“
Die Schritte verlangsamen sich, dann hört er das metallische Klicken einer Pumpgun, die durchgeladen wird. Fast gleichzeitig jagt eine Ladung Schrotkugeln dicht über seinem Kopf in die Wand. Abgesplitterter Putz prasselt auf ihn hinab. Diego duckt sich, zielt blind in Richtung Stufen und drückt dreimal ab.
* * *
„Nicht übel.“ Zusammen mit einem Soldaten betrachtet Patilla den auf dem Treppenabsatz liegenden Toten, dessen Gesicht von den Kugeln aus Diegos Pistole entstellt ist. Dann schaut er auf die beschädigte Wand.
„War der Einzige, der es bis zur Treppe geschafft hat. Und auch fast Peredos Auftrag erfüllt hat.“
Diego schaut mit fragender Miene auf. „Peredo?“
„Ja.“ Patilla reicht ihm ein Stück Pappe. Sich die noch immer schmerzenden Augen reibend, erkennt Diego, dass es sich um eine Spielkarte handelt. Einen Joker, bedruckt mit dem lächelnden Gesicht Peredos.
Wer zuletzt lacht, du Penner!
Diego legt die zu enge Weste ab und geht mit den beiden Männern ins Erdgeschoss, wo Soldaten die toten Eindringlinge nach draußen schleifen und dabei blutige Streifen auf den hellen Kacheln hinterlassen.
Von draußen dringen nur noch vereinzelt Schüsse ins Haus. Auf der Suche nach letzten Überlebenden durchkämmen Patillas Soldaten das Gelände, geben den Verwundeten mit ihren Pistolen den Rest.
„Sie haben sich ausgekannt, haben gewusst, wo sie rein müssen.“ Patilla tritt einer Leiche in die Rippen.
„Woher?“, keucht Diego.
„Ich hab da einen Verdacht.“
Diego wirft ihm einen skeptischen Blick zu, als Maria in der Tür erscheint. Die Haare zerzaust, in schlabbrigem Pullover und kurzen Jeans, aber vollkommen ruhig. „Diego, wer war das?“
Er zeigt auf eine der über den Küchentisch verstreuten Spielkarten. „Peredo.“
Sie nimmt die Karte, starrt auf das Porträt des Feindes. „Dieses Schwein!“ Damit zerknüllt sie das Blatt und wirft es in die Ecke.
„Keine Bange, wir werden ihm eine angemessene Antwort zukommen lassen.“
„Wo ist überhaupt Gonzales?“
Diego nickt mit dem Kopf in Richtung Tür zum Nebenraum, aus dem im selben Moment ein heiserer Schmerzensschrei gellt. Maria starrt ihren Bruder mit versteinerter Miene an. Er weiß, sie kennt Gonzales seit Jahren, war bei seiner Hochzeit, der Taufe ihrer Kinder.
Diego schiebt den Soldaten und Patilla aus dem Weg und öffnet die Tür. Als er in den hell erleuchteten Raum tritt, sieht er in dessen Mitte den auf einen Stuhl gefesselten Gonzales mit entblößtem, aus mehreren Wunden blutenden Oberkörper sitzen. Im Hintergrund stehen, an die Wand gelehnt, drei Soldaten, während Pablo direkt vor Gonzales auf einem Hocker sitzt und dabei ist, ihm sein Kampfmesser in die Brustwarze zu stechen.
Siegesgewiss dreht er sich zu Diego und dem dahinter hereinkommenden Patilla um. Gonzales wird früher oder später reden, da ist er sich sicher.
Diego sieht es ähnlich, hat allerdings einen anderen Plan.
„Stopp!“ Diego hebt warnend die Hand.
Pablo schaut ihn verwundert an, das Messer immer noch in Gonzales’ Brust gepresst.
„Alle raus!“
Langsam lässt Pablo das Messer sinken, steht auf und verlässt mit den anderen den Raum. Nur Patilla bleibt in der offenen Tür stehen.
Diego greift sich den Hocker, schiebt ihn nah zu Gonzales und setzt sich. Dann zieht er seinen Kopf zu sich heran, flüstert ihm ins Ohr. „In dreißig Minuten sitzen Carla, deine Tochter und Alejandro hier auf dem Stuhl. Dann lasse ich die Männer wieder rein. Und dich zusehen.“
Ein Wimmern dringt aus Gonzales’ Kehle.
Diego macht eine Pause, zieht zwei Zigaretten aus der Tasche und steckt sie an. Eine schiebt er Gonzales zwischen die Lippen, der hektisch daran zieht.
„Oder du sagst mir, was ich wissen möchte …“
Gonzales bedenkt ihn mit einem gehetzten Blick, schaut dann wieder zu Boden.
„Wie lange arbeitest du schon für uns? Fünfzehn Jahre? Maria war auf all euren Festen, hat dich immer fair behandelt, oder?“
Heftiges Nicken.
„Und jetzt? Jetzt hattest du Angst? Angst, die Arbeit zu verlieren?“
Gequält stöhnt Gonzales auf, Tränen in den Augen. Wieder ein Nicken.
„Da kam jemand zu dir und bot eine Menge Geld. Wer?“
Ein Zittern durchläuft Gonzales, als er stockend den Namen nennt, den Diego erwartet hat. Er nickt
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