Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)
halten können. Müde, aber doch auch elegant schleppte sich die Nutte die Stufen zwei Stockwerke hoch. Ein schmaler, dunkler Gang, ausgelegt mit Teppichboden, in dem sich all der Dreck der Jahre gesammelt hatte. Die Geilheit der Freier und der Schweiß der Frauen waren mit Händen zu greifen. Die abgestandene Luft klebte.
Am Ende des Gangs schloss unsere Nutte gelangweilt die Tür zu ihrem Zimmer auf. Hier also sollte es passieren. Das war der Raum, in dem ich das erste Mal mit einer Frau schlafen würde. Er war kleiner als mein Kinderzimmer. Gerade so groß, dass ein Doppelbett hineinpasste. Die Wände waren blau, die Lampen rot, die dunklen Vorhänge ließen die Sonnen nicht herein. Rechts war das, was man unter anderen Umständen hätte das Badezimmer nennen können: eine Abstellkammer mit winziger Dusche, Toilette und einem Waschbecken. So hatte ich mir mein erstes Mal nicht vorgestellt.
Mike gab der Nutte den Hunderter.
»Zieh dich schon mal aus und mach’s dir gemütlich«, sagte sie zu mir.
»Ich?«, rief ich erschrocken.
»Ja, du. Oda wolltst du nur mal kieken? Ich mach mich ma frisch.« Sie verschwand in der Abstellkammer. Mike sah mich an und grinste hämisch.
»Schau bloß wech, Aller!«, raunzte ich ihn an.
»Nix da, Aller. Ich will zuschauen, wenn du sie bumst.«
Er stand wie eine Eins! Anders als mir schien ihm die Umgebung egal zu sein. An einer Nutte in solch einem Drecksloch schien er Gefallen zu haben – an einem Mädchen, das sich mir willig hingab, nicht. Mein Herz raste, bei jedem Pulsschlag wippte mein Schwanz auf und ab.
»Bums die ma so richtig durch. Du kanns das, Michel!«
Wie ein Zinnsoldat stand ich vor dem Bett, als sie aus dem Bad kam. Mit einem mütterlichen Blick sah sie mich an: »Na, du bist mir ja einer. Has wohl lange nicht gefickt, hä?«
Ohne dass ich einen Laut hätte machen können, schüttelte ich nur den Kopf.
»Komm, leg dich mal hin, entspann dich.«
Mike saß in der Ecke auf einem Sessel und beobachtete mich aufgeregt. Er fummelte nervös an seinem Hemd.
Mit ihren langen Fingern begann sie meinen Schwanz zu streicheln. Ganz zärtlich. Sie sah mich an und lächelte verständnisvoll. »Ich hab auch einen Sohn. Der ist auch etwa in deinem Alter.« Ich konnte es nicht fassen: Während sie meinen Schwanz in die Hand nahm und ihn zu massieren begann, erzählte sie von ihrem Sohn? Wir sahen uns an. Obwohl es inzwischen egal gewesen wäre, traute ich mich nicht, ihre großen, nackten Brüste anzustarren. »So was tut man nicht!«, hätte meine Mutter gesagt. Als ich meine Mutter endlich vertrieben hatte, konzentrierte ich mich auf das Gefühl, das mir die Frau gerade bereitete, die ihre ältere Schwester hätte sein können. Bei allem, was sie tat, glaubte ich so etwas wie Melancholie in ihren Augen zu sehen. Sie hatte viel gelacht, aber sehr viel öfter hatte sie weinen müssen. Während ich ihr weiter in die Augen starrte, streifte sie mir ein Kondom über. Ihr Griff wurde fester. Die Bewegungen schneller. Sie hatte mich an den Eiern. Mit der einen Hand hatte sie meinen Schwanz fest im Griff, mit der anderen massierte sie meinen Sack. Ich stöhnte. Dann explodierte etwas in mir, ich zuckte, war nur noch eine Marionette in ihren Händen. Das Kondom war voll. Sie grinste mich an. Mike grinste. Ich atmete tief und frei.
»Soo. Nu mach dich ma frisch«, sagte sie. »Jetzt is dein Freund dran.«
Endlich, ich hatte es geschafft. Zwar hatte ich nicht mit ihr geschlafen, aber das Wichtigste war, für mich stand fest: Ich war nicht schwul.
Das Bad roch nach billigem Parfum, nach Pisse und Desinfektionsmitteln. Der Mülleimer war voller Kondomen, das Geschäft lief gut. Ich sah in den Spiegel. Stolz stand ich da – ich hatte es getan. Doch in mir wuchs die Scham. Ich schämte mich für das, was passiert war, wo und wie es passiert war.
Als ich wieder ins Zimmer kam, war Mike damit beschäftigt, unserer ersten Frau heftig die Brüste zu kneten. Glücklich und zufrieden spazierte ich hinaus auf die Reeperbahn. Ich war ein Mann. Bald würde ich mit einem Mädchen schlafen, ohne Kondom, ohne dafür zu zahlen. Das echte REIN-RAUS.
Mike und ich trafen uns wenig später auf dem Spielplatz wieder. Auch er war sichtlich erleichtert und glücklich. Wir sprachen kein Wort. Gemeinsam schauten wir in den Himmel.
Eine Woche später war Catcher Mike verschwunden, und mit ihm der Rest der Familie. Das Viertel munkelte und tuschelte, aber niemand schien etwas zu wissen. Mike war
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