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Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Titel: Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Meyer zu Kueingdorf , Michel Ruge
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zu.«
    Er trat auf den linken Arm des Südländers, so dass der die Hand spreizen musste. Pimmel zielte direkt auf die Hand. »Du denkst also, du kannst bei mir abkassieren? Meinst du, du kannst hier abkassieren?« Pimmel schrie.
    Dann knallte ein Schuss durch den Raum. Ein dumpfes Dröhnen rauschte durch meine Gehörgänge. Ich hatte meine Augen weit aufgerissen. Ich musste mir alles ganz genau anschauen. Ein glatter Durchschuss. Direkt durch die Hand. Der Barmann öffnete wieder die Tür. Pimmel riss den Südländer am Kragen hoch.
    Während er die Knarre auf den Tresen legte, sagte er mit ruhiger Stimme: »Hassu dir wohl ’nen falschen Laden ausgesucht. Wenn ich dich jemals wiedersehen sollte, mach ich dir ’n Loch da oben rein, du verstehen?«
    Pimmel wirkte wie einer meiner Kinohelden. So musste ein Mann sein: entschlossen in seinen Taten, mutig. Wenn man so agierte, konnte einen nichts aus der Ruhe bringen. Für mich war das eines der Schlüsselerlebnisse. So ein Mann wollte ich werden. Einer, der nicht rumeierte, sondern der zu seinen Überzeugungen stand und danach handelte, wenn es drauf ankam.
    Dann lachte Pimmel laut auf. Der Typ hatte das Weite gesucht, und Pimmel schrie: »So, jetzt trinken wir mal einen. Nich wahr, Michel?!«

12 Zigeuner-Fritz
    M ein Hunger war grenzenlos. Er trieb mich an, neue Wege zu gehen, neue Leute kennenzulernen. Parallel zu den Breakers, mit denen ich mittlerweile fast täglich abhing, führte ich noch einige andere Leben. Dann rauschte jemand in mein Leben, der mir der beste Freund werden sollte. Viele Jahre lang. Wir hatten gerade eine Stunde zusammen mit der Parallelklasse, als mir dieser große, schlaksige Typ mit Segelohren auffiel. Ein Neuer offensichtlich. Er sah aus wie Marius Müller-Westernhagen mit dunklen Haaren und dunklen Augen. Deswegen nannte man seine Familie – wie ich später erfuhr – »die Zigeuner«. Er lachte viel und laut, haute markante Sprüche raus und machte einen sehr lustigen Eindruck auf mich. Der Typ erinnerte mich an die Luden von St. Pauli, wie sie laut und selbstbewusst die Kneipen betraten: Hier bin ich! Sonst noch Fragen?
    Unser Klassengrößter wollte sich den Neuen gleich vornehmen (so machte man das damals), als der schon rief: »Nein, nein. Schlag mich nicht. Ich bin deiner nicht würdig.« Die Klasse brüllte vor Lachen. Der Neue lächelte. Zuschlagen konnte unser Herkules jetzt nicht mehr. Der Neue und ich saßen sofort nebeneinander. »Ich bin Fritz«, sagte er. »Michel!«, grinste ich. Es war Liebe auf den ersten Blick, wenn man das über Männerfreundschaften sagen kann. Wir verabredeten uns für den Nachmittag, und Fritz erzählte mir von seinem bisherigen Leben.
    Fritz war zunächst aufs Gymnasium gegangen. Seine Eltern wollten unbedingt, dass ihr Sohn studiert. Fritz allerdings hatte andere Sachen im Kopf: vor allem Faxen und Unsinn. Er war wie ich ein mittelmäßiger Schüler und kam deswegen auf unsere Gesamtschule. Seine Eltern, Uwe und Rosie, hatten lange in der Nähe des Großneumarkts gewohnt, in der historischen Brüderstraße. Fritz’ Vater war ’n richtiger Kiezschläger, der mit seinem Bruder Gerd durch die Kneipen zog und Sachen drehte, Streit anfing oder Typen abzog. Gerd war ein bulliger Typ, der den gefährlichsten Kopfstoß von St. Pauli zu seinen Waffen zählte. Den hat er sich antrainiert, als er im Knast war – er hat seinen Kopf immer wieder gegen die Spindtür geschlagen. Mit diesem knallharten Kopfstoß hat Gerd später einen umgebracht, aus Versehen. Kalle kannte die beiden. Fritz’ Vater gründete später eine Baufirma, mit der er sehr viel Geld machte. Die Familie zog ins edle, großbürgerliche Eppendorf, nordwestlich der Außenalster. Fritz’ Mutter gab sich jede Mühe, das viele Geld auszugeben. In der luxuriösen Wohnung gab es die tollsten Möbel, jede Menge moderne Technik und so einen perlweißen Teppich, der einen schneeblind machte, wenn man ihn zu lang anschaute. Ich musste immer die Schuhe ausziehen, was mir etwas peinlich war. Denn ich wechselte – wie gesagt – meine Socken nicht jeden Tag. Einmal kam Fritz’ Mutter nach Hause. Sie war gerade für fünftausend Mark bei Versace einkaufen gewesen. Fünftausend Mark! Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, wie man so viel Geld für Klamotten ausgeben konnte.
    Fritz hatte – im Gegensatz zu mir – immer Geld. Aber er ließ das nicht raushängen. Er gab mir kein schlechtes Gefühl. Für ihn war es ganz natürlich, dass

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