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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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Mühsam tastete sie danach.
    Ins Zimmer
trat Xjuscha, die bei ihrem Kommen aufgewacht war.
    »Warum im
Dunkeln, Mama? Soll ich die Lampe bringen?«
    »Nein. Ich
sehe auch so.«
    »Mama,
Olga Nilowna, kommen Sie, ich mach hinten auf. Quälen Sie sich nicht.«
    »Die
Finger wollen nicht mehr, ich könnte heulen. Der blöde Kerl hat die Haken nicht
richtig angenäht, dieses blinde Huhn. Man müßte die ganze Kante abtrennen und
ihm um die Ohren schlagen.«
    »Schön
haben sie gesungen in der Kirche. Die Nacht ist so still, da hat's bis hier
geklungen.«
    »Gesungen
haben sie schön. Aber mir geht's schlecht, Mädchen. Schon wieder sticht es hier
und hier. Überall. Ein Jammer. Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    »Der
Homöopath Stydobski hat Ihnen doch geholfen.«
    »Aber
seine Ratschläge kann man nicht befolgen. Ein Kurpfuscher ist dein Homöopath.
Keine Ahnung von Tuten und Blasen. Und außerdem, er ist weg. Abgereist.
    Und nicht
er allein. Vor dem Fest sind alle weggelaufen aus der Stadt. Ist vielleicht ein
Erdbeben zu erwarten?«
    »Aber der
gefangene ungarische Arzt, der hat Ihnen damals gut geholfen.«
    »Schon
wieder Quatsch mit Soße. Ich sage dir, keiner ist geblieben, alle sind weg. Der
Lajos Kerenyi und die anderen Ungarn stecken hinter der Demarkationslinie. Sie
müssen dienen, die Braven. Man hat sie in die Rote Armee geholt.«
    »Aber
manches bilden Sie sich auch nur ein. Ihr Herz ist nervös. Das Besprechen wie
bei den einfachen Leuten wirkt da Wunder. Erinnern Sie sich, die Soldatenfrau
hat Sie damals mit Erfolg besprochen. Alles war weg. Ich weiß bloß nicht mehr,
wie sie heißt, hab den Namen vergessen.«
    »Nein, du
scheinst mich wirklich für dumm zu halten. Womöglich singst du sogar hinter
meinem Rücken das Lied von der Sentetjuricha.«
    »Sagen Sie
nicht so was! Versündigen Sie sich nicht, Mama. Sagen Sie mir lieber, wie die
Soldatenfrau heißt. Ich hab's auf der Zunge, es läßt mir keine Ruhe.«
    »Ach, die
hat mehr Namen als Röcke. Such dir einen aus. Brummkreisel wird sie genannt und
Bärin und Zauberin. Und wohl noch ein Dutzend anderer. Sie ist auch nicht mehr
da. Ihr Gastspiel war zu Ende, nun suche sie mal. Sie haben die Gottesmagd ins
Gefängnis von Keshma gesperrt. Wegen Abtreibung und wegen ihren Pülverchen. Sie
aber, statt sich im Kittchen zu langweilen, ist abgehauen, irgendwo nach dem
Fernen Osten. Ich sag dir doch, alle sind weg. Mein Mann Wlas Pachomowitsch,
Terescha, Tante Polja, die gute Seele. Von allen redlichen Frauen sind nur wir
beiden dummen Gänse noch in der Stadt, im Ernst. Und keine ärztliche Hilfe.
Wenn was passiert, ist Schluß, dann kann man niemanden holen lassen. In
Jurjatin soll ein berühmter Professor aus Moskau sein, Sohn eines sibirischen
Kaufmanns, der sich umgebracht hat. Aber während ich noch überlegt habe, ihn
herzubitten, haben die Roten zwanzig Sperren auf der Straße errichtet - da ist
kein Durchkommen. Aber geh jetzt schlafen, ich leg mich auch hin. Der Student
Blashejin verdreht dir den Kopf. Bestreite es nicht. Verheimlichen kannst du es
sowieso nicht, du bist rot wie ein Krebs. Dein unglückseliger Student arbeitet
in der heiligen Nacht, entwickelt und vergrößert meine Fotografien. Sie
schlafen nicht und lassen auch die anderen nicht schlafen. Tomik wird noch die
ganze Stadt wachkläffen. Und die verdammte Krähe krächzt auf unserm Apfelbaum,
ich werd wohl die Nacht kein Auge zukriegen. Aber du bist ja scheint's wirklich
beleidigt, du Kräutlein Rührmichnichtan? Studenten sind doch dazu da, um den
Mädchen zu gefallen.«
     
    »Warum der
Hund wohl so tobt? Man müßte mal nachsehen. Der bellt doch nicht ohne Grund.
Lidotschka, warte mal, halt den Mund, sei einen Moment still. Wir müssen das
klären. Womöglich kommt Polente. Du bleib, Ustin. Und du auch, Siwobljui. Es
wird ohne euch gehen.«
    Der Vertreter
des Zentrums hatte die Bitte, einen Moment innezuhalten, nicht gehört und
setzte müde seine hastige Rede fort: »Die in Sibirien bestehende bürgerliche
Militärmacht wird mit ihrer Politik von Raub, Gewalt, Abgaben, Erschießungen
und Folterungen allen Verirrten die Augen öffnen. Sie ist ein Feind nicht nur
der Arbeiterklasse, sondern nach Lage der Dinge auch der werktätigen
Bauernschaft. Die werktätige Bauernschaft Sibiriens und des Ural muß begreifen,
daß nur im Bündnis mit dem städtischen Proletariat und den Soldaten, im Bündnis
mit der kirgisischen und burjatischen Armut... «
    Endlich
bekam er mit, daß er

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