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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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Hellblau war
der Himmel. Rosa waren die Wolken, die so langsam und friedlich dahinschwebten,
daß sich der Himmel mit ihnen zu bewegen schien.
    Rosa war
das von einem Seidengürtel umschlungene Hemd, das Wlas Galusin trug, als er mit
klappernden Stiefelabsätzen, die Beine auswärts werfend, die hohe Treppe von
Pafhutkins Haus - es stand oberhalb der Tische auf der Anhöhe - herunterkam und
zu reden begann: »Dieses Glas mit dem Selbstgebrannten Schnaps unseres Volkes
leere ich anstatt Champagner auf euch, Jungs. Viele Jahre sollt ihr leben,
liebe junge Leute! Meine Herren Rekruten! Ich wünsche euch Glück und Gesundheit
in noch vielen Momenten und in jeder Beziehung. Ich bitte um Aufmerksamkeit.
Der Kreuzweg, der sich wie eine lange Straße vor euch in die Ferne zieht, führt
euch dahin, wo ihr mit eurer Brust die Heimat beschirmen werdet gegen die
Gewalttäter, welche die Fluren der Heimat mit dem Blut des mörderischen
Bruderzwists überschwemmen. Das Volk hatte gehofft, in Frieden über die Errungenschaften
der Revolution diskutieren zu können, aber weil die Partei der Bolschewiken
Dienerin des ausländischen Kapitals ist, wurde der sehnliche Wunsch des Volkes,
die Konstituierende Versammlung, mit grober Gewalt der Bajonette
auseinandergejagt, und das Blut strömt wie ein schutzloser Fluß. Liebe junge
Leute, die ihr aufbrecht! Haltet sie hoch, die geschändete Ehre der russischen
Waffen, denn ihr steht in der Pflicht gegenüber unseren ehrlichen Verbündeten;
wir haben uns mit Schande bedeckt, als wir zuließen, daß nach den Roten auch
Deutschland und Osterreich wieder frech das Haupt erhoben. Mit uns ist Gott,
Jungs«, sprach Galusin weiter, doch schon übertönten ihn Hurrageschrei und die
Forderung, ihn in die Luft zu werfen. Er führte das Glas zum Munde und trank
mit langsamen Schlucken die schlecht gereinigte, fuselige Flüssigkeit. Das
Getränk mundete ihm nicht. Er war an Weine mit feineren Buketts gewöhnt. Aber
das Bewußtsein, der Gesellschaft ein Opfer zu bringen, erfüllte ihn mit
Befriedigung.
    »Dein
Vater ist ja ein Adler. Was der für Reden hindonnert! Dagegen ist Miljukow von
der Duma ein Garnichts, wahrhaftig«, sagte in dem sich erhebenden trunkenen
Stimmengewirr Goschka Rjabych mit etwas schwerer Zunge lobend zu seinem Freund
und Tischnachbarn Terescha Galusin. »Wahrhaftig, ein Adler. Aber er macht sich
die Mühe wohl nur, weil er dich vom Soldatendienst wegreden will.«
    »Na sag
mal, Goschka! Schäm dich was. Du hast Vorstellungen - wegreden! Wir beide haben
doch am selben Tag die Einberufung gekriegt. Wir kommen in dieselbe Abteilung.
Aus der Realschule haben sie mich rausgeschmissen, die Hunde. Meine Mutter ist
ganz traurig. Wenn wir bloß nicht bei den Freiwilligen landen. Wir werden
gemeine Soldaten. Aber Vaters Festreden, da hast du recht, er ist ein Meister.
Und woher hat er das ? Von Natur aus. Er hat nie eine systematische Bildung
bekommen.«
    »Hast du
von Sanka Pafnutkin gehört?«
    »Hab ich.
Hat er sich wirklich angesteckt?«
    »Fürs
ganze Leben. An Rückenmarksschwindsucht wird er sterben. Aber er ist selber
schuld. Sie haben ihn ja gewarnt, geh nicht hin. Es ist immer wichtig, mit wem
man sich einläßt.«
    »Was wird
jetzt mit ihm werden?«
    »Eine
Tragödie. Er wollte sich schon erschießen. Heute hat ihn die Kommission in Maly
Jermolai untersucht, sie nehmen ihn bestimmt. Er sagt, ergeht zu den
Partisanen. Rache will er nehmen für die Pestbeulen der Gesellschaft.«
    »Hör mal,
Goschka, du sprichst vom Anstecken. Aber wenn man nicht zu denen geht, kann man
eine andere Krankheit kriegen.«
    »Ich weiß,
was du meinst. Damit beschäftigst du dich wohl. Das ist keine Krankheit, das
ist ein heimliches Laster.«
    »Ich knall
dir gleich eine, Goschka. Beleidigst deinen Kameraden, du räudiges Lügenmaul!«
    »Beruhige
dich, es sollte ein Scherz sein. Aber ich wollte dir was anderes sagen. Ich hab
in Pashinsk das erstemal wieder richtig gegessen nach dem Fasten. Dort hat ein
Durchreisender einen Vortrag gehalten: >Die Befreiung der
Persönlichkeit<. Sehr interessant. Hat mir gut gefallen. Weißt du was, du
Armleuchter, ich geh zu den Anarchisten. Die Kraft steckt in uns, hat er
gesagt. Geschlecht und Charakter, hat er gesagt, das ist erwachende tierische
Elektrizität. Na, ein richtiges Wunderkind. Aber ich bin ganz schön besoffen.
Und von dem Gebrüll hier kannst du ja taub werden. Ich mag nicht mehr,
Terescha, sei still, du Hundezitz, du Muttersöhnchen, halt den

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