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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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Doch
laß es genug sein. Wir reden ein andermal darüber, das verspreche ich dir.
Deine Tonja, das ist eine wunderbare Frau. Wie ein Gemälde von Botticelli. Ich
war bei der Geburt dabei. Wir haben uns großartig verstanden. Aber auch darüber
ein andermal, ich bitte dich. Ja, wir sollten zusammen arbeiten gehen. Dann
bekommen wir jeden Monat unser Gehalt, es sind Milliarden. Bis zum letzten
Umsturz waren bei uns sibirische Geldscheine im Umlauf. Sie sind erst kürzlich
für ungültig erklärt worden, und wir haben die ganze Zeit, während du krank
warst, ohne Geld gelebt. Ja, stell dir das vor, schwer zu glauben, aber auch
das haben wir überstanden. Jetzt hat das ehemalige Finanzamt einen ganzen
Güterzug voll Papiergeld bekommen, es sollen mindestens vierzig Waggons sein.
Die Scheine sind in großen Bogen gedruckt, zweifarbig, rot und blau, wie
Briefmarken, und in lauter kleine Felder eingeteilt. Die blauen Scheine sind
fünf Millionen wert, die roten zehn Millionen. Der Druck ist schlecht, die
Farben verblassen schnell.«
    »Ich habe
dieses Geld gesehen. Es wurde kurz vor unserer Abreise in Moskau eingeführt.«
      »Was hast du so lange in Warykino
gemacht? Da war doch kein Mensch. Was hat dich da gehalten?«
    »Ich habe
mit Katenka dein Haus aufgeräumt. Ich hatte mir gedacht, du würdest als erstes
dorthin kommen. Du solltest euer Heim nicht so vorfinden.«
    »Wie denn?
Wie sah es aus, Zerstörung, Unordnung?«
    »Unordnung.
Schmutz. Ich habe aufgeräumt.«
    »Welch
ausweichende Wortkargheit. Du sagst doch nicht alles. Du verheimlichst mir
etwas. Aber wie du magst, ich will nicht in dich dringen. Erzähl mir von Tonja.
Welchen Namen hat die Tochter bekommen?«
    »Mascha.
Nach deiner Mutter.«
    »Erzähl
mir von ihnen.«
    »Wenn du
erlaubst, tu ich das später. Ich habe dir doch gesagt, ich kann die Tränen kaum
zurückhalten.«
    »Dieser
Samdewjatow, der dir immer das Pferd gegeben hat, ist ein interessanter Mann,
meinst du nicht auch?«
    »Äußerst
interessant.«
    »Ich kenne
ihn recht gut. Er war unser Hausfreund, als wir hier ganz neu waren, und hat
uns viel geholfen.«
    »Ich weiß.
Er hat es mir erzählt.«
    »Ihr seid
bestimmt gute Freunde? Unterstützt er dich auch?«
    »Er
überschüttet mich geradezu mit Wohltaten. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn
getan hätte.«
    »Das kann
ich mir vorstellen. Ihr habt sicherlich rein kameradschaftliche Beziehungen,
oder? Macht er dir den Hof?«
    »Und ob.
Unaufhörlich.«
    »Und du?
Aber entschuldige. Ich überschreite die Grenzen des Erlaubten. Was habe ich für
ein Recht, dich auszufragen? Verzeih. Das war unpassend.«
    »Oh,
bitte. Die Art unserer Beziehungen muß dich ja interessieren. Du möchtest
wissen, ob sich nicht in unsere gute Bekanntschaft etwas Persönlicheres
eingeschlichen hat? Natürlich nicht. Ich bin ihm unendlich verpflichtet, ich
stehe tief in seiner Schuld, aber auch wenn er auf die Idee käme, mich zu
vergolden oder mir sein Leben zu opfern, würde mich das ihm nicht
näherbringen. Menschen von solchem Charakter sind mir von klein auf fremd und
verhaßt. In Alltagsdingen sind diese unternehmungslustigen, selbstsicheren,
gebieterischen Menschen unverzichtbar. In Herzensangelegenheiten aber ist mir
diese gockelhafte, schnurrbärtige, männliche Überheblichkeit zuwider. Ich
habe andere Vorstellungen von Nähe und vom Leben. Und noch etwas. In
moralischer Beziehung erinnert mich Samdewjatow an einen anderen, noch viel
abstoßenderen Mann, der mich zu dem gemacht hat, was ich bin.«
    »Ich
verstehe nicht. Was bist du denn? Was meinst du? Erklär mir das. Du bist besser
als alle Menschen auf der Welt.«
    »Ach,
Jura, was redest du? Ich spreche ernsthaft mit dir, und du machst mir
Salonkomplimente. Du fragst, was ich bin. Gebrochen bin ich, ich habe einen
Knacks fürs ganze Leben weg. Ich bin vorzeitig, verbrecherisch früh zur Frau
gemacht und auf üble Weise in das Leben eingeweiht worden, nämlich in der
verlogenen, boulevardhaften Anschauung eines von sich selbst überzeugten,
schon bejahrten Schmarotzers der alten Zeit, der alles an sich raffte, sich
alles herausnahm.«
    »Ich
errate. Ich habe mir schon so etwas gedacht. Aber weißt du, ich kann mir das
gut vorstellen, deinen unkindlichen Schmerz damals, die Angst der
verschüchterten Unerfahrenheit, die erste Kränkung des noch nicht erwachsenen
Mädchens. Doch das ist Vergangenheit. Ich will sagen, darüber jetzt noch zu
trauern, das ist nicht deine Sache, sondern die der Menschen, die

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