Boris Pasternak
dich lieben
wie ich. Ich bin es, der sich die Haare raufen muß und verzweifeln, weil ich zu
spät gekommen bin, weil ich nicht bei dir war und dich nicht davor bewahren
konnte, da es so schlimm für dich war. Merkwürdig, ich glaube, so richtig
tödlich, leidenschaftlich eifersüchtig könnte ich nur auf einen niedrigen Mann
sein, der mir fremd ist. Rivalität mit Höheren weckt in mir ganz andere Gefühle.
Wenn ein mir geistig Ebenbürtiger, den ich gern habe, dieselbe Frau
liebgewinnen würde wie ich, hätte ich ein Gefühl der traurigen Bruderschaft mit
ihm, nicht aber Feindschaft. Natürlich könnte ich meine Angebetete nicht mit
ihm teilen. Aber ich würde zurücktreten mit dem Gefühl eines ganz anderen
Leides, nicht mit Eifersucht, nicht mit Qualm und Blut. Das gleiche würde ich
empfinden bei der Begegnung mit einem Maler, der mich mit der Überlegenheit
seiner mir wesensverwandten Arbeiten bezwingt. Ich würde bestimmt verzichten
auf meine Bemühungen, die ja nur Wiederholungen seiner Versuche wären, die mich
besiegt haben.
Aber ich
bin abgeschweift. Ich glaube, ich würde dich nicht so lieben, wenn du über
nichts zu klagen und nichts zu bereuen hättest. Ich mag nicht die Gerechten,
die nie gefallen noch fehlgetreten sind. Ihre Tugend ist tot und wertlos. Die
Schönheit des Lebens hat sich ihnen nicht aufgetan.«
»Von
dieser Schönheit spreche ich ja gerade. Ich finde, um sie sehen zu können,
bedarf es reiner Phantasie, ursprünglicher Wahrnehmung. Und genau das ist mir
genommen worden. Vielleicht würde sich bei mir ein eigener Blick auf das Leben
herausgebildet haben, wenn ich es nicht schon bei den ersten Schritten in
fremder, abgeschmackter Form gesehen hätte. Aber damit nicht genug. Da sich in
mein beginnendes Leben ein so unmoralischer, mittelmäßiger Mann hereingedrängt
hat, der nur aufsein eigenes Vergnügen bedacht war, ist später meine Ehe mit
dem großartigen, wunderbaren Mann gescheitert, der mich sehr liebte, was auf
Gegenseitigkeit beruhte.«
»Warte.
Von deinem Mann kannst du mir später erzählen. Ich sagte dir, eifersüchtig
macht mich einer, der unter mir steht, nicht ein Gleichgestellter. Auf deinen
Mann bin ich nicht eifersüchtig. Und jener?«
»Welcher jener?«
»Der
leichtsinnige Kerl, der dich verdorben hat. Wer ist er?«
»Ein
ziemlich bekannter Moskauer Advokat. Er war ein Freund meines Vaters und hat
nach Vaters Tod meine Mutter materiell unterstützt, als wir in Not waren. Ein
vermögender Junggeselle. Sicherlich messe ich ihm viel zuviel Bedeutung bei,
indem ich so schlecht von ihm rede. Das ist eine normale Erscheinung. Wenn du
willst, sag ich dir seinen Namen.«
»Nicht
nötig. Ich kenne ihn. Ich habe ihn sogar schon gesehen.«
»Wirklich?«
»Einmal im
Hotel, als deine Mutter sich vergiftet hatte. Spätabends. Wir waren damals noch
Kinder, Gymnasiasten.«
»Ach ja,
ich kann mich erinnern. Ihr wart gekommen und standet im dunklen Vorraum des
Zimmers. Ich würde vielleicht nie an diese Szene zurückgedacht haben, aber du
hast mir schon einmal geholfen, mich darauf zu besinnen. Ich glaube, das war in
Meljusejew.«
»Komarowski
war auch im Zimmer.«
»Tatsächlich?
Durchaus möglich. Es war leicht, mich mit ihm zu treffen. Wir waren häufig
beisammen.«
»Warum wirst
du denn rot?«
»Der Name
klingt aus deinem Mund so sonderbar. So ungewohnt, überraschend.«
»Mit mir
war damals ein Mitschüler vom Gymnasium. Der hat mir in dem Zimmer etwas
erzählt. In Komarowski erkannte er den Mann, den er schon einmal gesehen hatte.
Während einer Reise war dieser Junge, Mischa Gordon, zufällig Zeuge des
Selbstmords meines Vaters geworden. Mein Vater war Millionär und Industrieller.
Mischa fuhr mit ihm im selben Zug. Mein Vater hat sich aus dem fahrenden Zug
gestürzt, um sich das Leben zu nehmen, und war auch gleich tot. Mit ihm reiste
Komarowski, sein Rechtsbeistand. Er verleitete meinen Vater zum Trinken,
verwirrte seine geschäftlichen Angelegenheiten, trieb ihn in den Bankrott und
in den Tod. Er ist schuld an seinem Selbstmord und daran, daß ich elternlos
zurückblieb.«
»Das ist
doch nicht möglich! Was für ein bedeutsames Zusammentreffen! Ist das wirklich
wahr? Also war er auch dein böser Geist? Das bringt uns einander noch näher!
Das ist ja wie eine Vorbestimmung!«
»Auf den
werde ich immer eifersüchtig sein.«
»Wieso?
Ich liebe ihn ja gar nicht. Ich verachte ihn.«
»Kennst du
dich wirklich so genau? Die menschliche, besonders die weibliche
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