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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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ihren Bewegungen
behinderten. Wenn der Schlitten sich neigte oder durch ein Schlagloch holperte,
kreischten sie und lachten sich halbtot, während sie im Schlitten hin und her
kullerten und sich wie schwerfällige Säcke ins Heu wühlten. Manchmal lenkte
Doktor Shiwago den Schlitten spaßeshalber mit der einen Kufe über einen
Schneehügel, so daß der Schlitten zur Seite kippte und Lara und Katenka in den
Schnee fielen, ohne Schaden zu nehmen. Nun zog er die Zügelleine straff,
brachte den Falben zum Stehen, richtete den Schlitten wieder auf und bezog einen
Rüffel von Lara und Katenka, die sich abklopften und lachend und ärgerlich
wieder einstiegen.
    »Ich zeige
euch die Stelle, wo mich die Partisanen angehalten haben«, versprach ihnen der
Arzt, als sie schon ein ganzes Stück von der Stadt entfernt waren, aber er
konnte nicht Wort halten, weil die winterliche Kahlheit der Wälder, die tote
Stille und die Leere ringsum die Landschaft bis zur Unkenntlichkeit verändert
hatten. »Hier!« rief er, als er das erste Firmenschild von Moreau und Wetschinkin
im Feld irrtümlich für das andere im Wald hielt, wo sie ihn gefangen hatten.
Als sie dann an diesem zweiten vorbeikamen, das noch an seiner früheren Stelle
im Dickicht bei der Weggabelung nahe der Sakma stand, waren die Pfähle in dem
flimmernden Gitterwerk des dichtbereiften Waldes, der an geschwärztes
Silberfiligran erinnerte, nicht auszumachen.
    Noch bei
Tageslicht kamen sie in Warykino an und hielten vor dem alten Haus der
Shiwagos, denn es war das erste am Wege, näher als das der Mikulizyns. Wie
Räuber drangen sie in das Haus ein, hastig, denn es mußte bald dunkel werden.
Im Hause war es schon dunkel. Die Hälfte der Zerstörungen und Scheußlichkeiten
nahm Shiwago in der Eile gar nicht wahr. Ein Teil des wohlbekannten Mobiliars
war noch vorhanden. Es gab in Warykino niemanden mehr, der die begonnene
Zerstörung hätte zu Ende führen können. Von dem Hausgerät fand der Arzt nichts
mehr vor. Aber er war ja bei der Abreise der Familie nicht hier gewesen und
konnte nicht wissen, was die Seinen mitgenommen und was sie zurückgelassen
hatten. Lara sagte: »Wir müssen uns beeilen. Es wird gleich Nacht. Zum Grübeln
ist keine Zeit. Wenn wir uns hier einquartieren, muß das Pferd in den Schuppen,
der Proviant in die Diele, und wir richten uns in diesem Zimmer ein. Aber es
behagt mir nicht. Wir haben ja darüber gesprochen. Für dich und damit auch für
mich wäre es schwer. Was ist das hier, euer Schlafzimmer? Nein, das
Kinderzimmer. Das Bettchen deines Sohnes. Für Katenka zu klein. Andererseits
sind die Fenster heil, Wände und Decke ohne Ritzen. Außerdem gibt's da den
großartigen Ofen, von dem war ich schon letztes Mal begeistert. Wenn du darauf
bestehst, daß wir hier bleiben, obwohl ich dagegen bin, muß ich den Pelz
ausziehen und mich schleunigst an die Arbeit machen. Zuallererst mal heizen.
Heizen, heizen und nochmals heizen. Die ersten vierundzwanzig Stunden
ununterbrachen. Aber was hast du denn, mein Liebster? Du sagst ja gar nichts.«
    »Gleich.
Es ist nichts. Entschuldige bitte. Nein, weißt du, wir sehen uns wirklich lieber
das Haus der Mikulizyns an.«
    Sie fuhren
weiter.
     
    Das Haus
der Mikulizyns war mit einem Vorhängeschloß versperrt, dessen Bügel durch die
Löcher des Türriegels ging. Shiwago schlug lange darauf ein und riß es
schließlich mitsamt dem an den Schrauben hängenden Holzstück ab. Wie schon in
das andere Haus drangen sie hastig ein und gingen im Pelz, mit Mütze und
Filzstiefeln durch die Zimmer.
    Als erstes
fiel ihnen die Ordnung in einigen Teilen des Hauses auf, zum Beispiel in
Mikulizyns Arbeitszimmer. Hier hatte noch vor kurzem jemand gewohnt. Aber wer?
Wenn es die Eigentümer waren oder einer von ihnen, wo waren sie dann geblieben,
und warum hatten sie die Haustür nicht mit dem Türschloß versperrt, sondern mit
dem Vorhängeschloß? Außerdem, wenn die Eigentümer hier lange und ständig
gewohnt hatten, wäre das Haus ganz und nicht nur teilweise aufgeräumt gewesen.
Etwas sagte den Eindringlingen, daß es nicht die Mikulizyns gewesen waren. Wer
dann? Diese Ungewißheit beunruhigte Lara und Shiwago nicht weiter. Sie zerbrachen
sich nicht den Kopf. Es gab ja jetzt genug verlassene Behausungen, die zur
Hälfte geplündert waren. Und es gab genug Verfolgte, die sich verstecken
mußten. »Vielleicht ein gesuchter weißer Offizier«, schlossen sie einhellig.
»Wenn er kommt, werden wir uns schon vertragen und

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