Boris Pasternak
verständigen.«
Wieder,
wie schon einmal, blieb Shiwago auf der Schwelle des Arbeitszimmers stehen und
freute sich über dessen Geräumigkeit und über die Breite und Bequemlichkeit des
Arbeitstischs am Fenster. Und wieder dachte er, wie sehr doch dieser ernste
Raum Lust machen mußte auf geduldige, fruchtbare Arbeit.
Unter den Wirtschaftsgebäuden
auf dem Hof der Mikulizyns gab es einen Pferdestall, der an die Scheune
angebaut war. Er war verschlossen, und Shiwago wußte nicht, in welchem Zustand
er sich befand. Um keine Zeit zu verlieren, beschloß er, das Pferd für die
erste Nacht in der offenstehenden Scheune unterzubringen. Er spannte den Falben
aus, und als das Tier abgekühlt war, brachte er ihm vom Brunnen Wasser. Er
wollte ihm auch Heu aus dem Schlitten geben, aber es war von den
Schlitteninsassen zu Mulm zerbröckelt und taugte nicht mehr als Futter.
Glücklicherweise fand sich auf dem geräumigen Heuboden über der Scheune und dem
Pferdestall noch genügend Heu.
Zur Nacht deckten sie sich,
angekleidet, mit den Pelzen zu und schliefen selig, fest und süß wie Kinder,
die einen ganzen Tag lang herumgetollt und Streiche verübt haben.
Nachdem sie aufgestanden
waren, liebäugelte Shiwago schon vom frühen Morgen an mit dem Tisch am Fenster.
Es juckte ihm in den Händen, sich zum Schreiben hinzusetzen. Aber dieses Recht
verschob er auf den Abend, wenn Lara und Katenka zu Bett gegangen wären.
Einstweilen hatten sie zu tun, um wenigstens zwei Zimmer in Ordnung zu bringen.
In seinen
Träumen von der Arbeit am Abend setzte er sich keine großen Ziele. Ihn
beherrschte schlicht die Leidenschaft nach Tinte, Feder und Schreibarbeit.
Er wollte
kritzeln, irgend etwas hinstricheln. Zunächst würde er sich damit begnügen,
etwas aus der Erinnerung zu notieren, um die abgestandenen Fähigkeiten, die so
lange brachgelegen hatten, wieder in Bewegung zu bringen. Vielleicht, so hoffte
er, konnten Lara und er länger hierbleiben, und er würde genug Zeit haben,
etwas Neues, Bedeutendes in Angriff zu nehmen.
»Du bist
beschäftigt? Was machst du?«
»Ich heize
und heize. Warum?«
»Ich
brauche einen Trog.«
»Wenn wir
weiter so heizen, reicht das Holz höchstens drei Tage. Wir müssen den Schuppen
an unserem Haus untersuchen. Vielleicht ist da noch Holz. Wenn wir genug
finden, hole ich es mit ein paar Fuhren hierher. Das mache ich morgen. Einen
Trog brauchst du? Stell dir vor, ich habe einen gesehen, aber wo, hab ich total
vergessen.«
»Mir
geht's genauso. Irgendwo habe ich ihn auch gesehen. Wahrscheinlich an einer
Stelle, wo er nicht hingehört, da vergißt man's dann. Aber zum Teufel damit.
Weißt du, ich muß eine Menge Wasser warm machen zum Aufwischen. Mit dem, was
übrigbleibt, will ich Sachen von mir und Katenka waschen. Gib mir auch deine
schmutzige Wäsche. Am Abend, wenn wir mit allem fertig sind und uns über die
nächsten Pläne einig werden, können wir uns vor dem Schlafengehen noch
waschen.«
»Ich hole
gleich meine Wäsche. Danke. Die Schränke und die schweren Möbel hab ich schon
von den Wänden abgerückt, wie du sagtest.«
»Gut. Dann
nehm ich eben statt des Trogs die Abwaschschüssel. Bloß die ist sehr fettig.
Ich muß sie vorher auswaschen.«
»Sobald
der Ofen durchgebrannt ist, dreh ich ihn zu und durchsuche noch die letzten
Schubladen. Auf Schritt und Tritt finde ich etwas, im Schreibtisch und in der
Kommode. Seife, Streichhölzer, Bleistifte, Papier, Schreibutensilien. Und ich
bin überrascht, was alles so offen herumliegt. Zum Beispiel die Lampe auf dem
Schreibtisch, sie ist mit Petroleum gefüllt. Das ist nicht von Mikulizyn, das
weiß ich. Es stammt aus einer anderen Quelle.«
»Ja, wir
haben erstaunliches Glück. Das kommt alles von dem geheimnisvollen Bewohner.
Eine Geschichte wie bei Jules Verne. Ach, schon wieder haben wir uns
festgeplaudert, wir reden und reden, und mein Kessel kocht über.«
Hastig
liefen sie mit vollen Händen von Zimmer zu Zimmer, stießen aufeinander oder auf
Katenka, die ihnen im Weg war oder vor ihren Füßen herumzappelte. Das Mädchen
trottete von einer Ecke in die andere, störte sie beim Aufräumen und schmollte,
wenn sie getadelt wurde. Sie fror und klagte über die Kälte.
Arme
Kinder der heutigen Zeit, Opfer unseres Zigeunerlebens, folgsame Beteiligte an
unserem Umherziehen, dachte Juri Shiwago und sagte zu dem Mädchen: »Entschuldige,
liebes Kind. Du kannst nicht frieren. Du schwindelst und hast Launen. Der Ofen
glüht ja.«
»Der
Weitere Kostenlose Bücher