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Boris Pasternak

Boris Pasternak

Titel: Boris Pasternak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr Shiwago
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Ofen
hat's vielleicht warm, aber mir ist kalt.«
    »Dann
halte es aus, Katenka. Am Abend heiz ich ihn noch einmal, dann wird er heiß,
ganz heiß, und deine Mama hat gesagt, sie wird dich baden, hörst du?
Einstweilen nimm das hier.« Er holte aus der ausgekühlten Kammer einen Haufen
alter Spielsachen von Liweri, teils heil, teils zerbrochen, Bauklötzchen und
kleine Würfel, Waggons und Lokomotiven, auch Papptafeln, in viereckige Kästchen
eingeteilt, mit Farben ausgemalt, voller Zahlen, dazu Spielmarken und
Spielsteine, und häufte alles auf den Fußboden.
    »Ich muß
doch bitten, Juri Andrejewitsch«, sagte Katenka, beleidigt wie eine Erwachsene.
»Das gehört uns doch gar nicht. Und es ist für kleine Kinder. Ich bin aber
schon groß.«
    Bald
jedoch setzte sie sich bequem auf den Teppich, und die Spielsachen wurden in
ihren Händen zu Baumaterial, aus dem sie für ihre aus der Stadt mitgebrachte
Puppe Nina ein Haus baute, viel zweckmäßiger und stabiler als die wechselnden
fremden Behausungen, in denen sie schon hatte wohnen müssen.
    »Welch ein
Instinkt für Häuslichkeit, welch ewiger Hang nach Nestbau und Ordnung!« sagte
Lara, die dem Spiel ihrer Tochter von der Küche aus zusah. »Kinder sind
aufrichtig, unverklemmt, und scheuen die Wahrheit nicht, während wir aus
Furcht, rückständig zu erscheinen, bereit sind, das Teuerste zu verraten,
Abstoßendes zu preisen und Unbegreifliches zu befürworten.«
    »Ich habe
den Trog gefunden«, unterbrach sie der Arzt, der aus der dunklen Diele kam. »Er
war tatsächlich nicht da, wo er hingehört. Er hat seit dem Herbst an einer
Stelle gestanden, wo es wohl durchregnet.«
     
    Zum
Mittag, das Lara aus den angebrochenen Vorräten gleich für drei Tage bereitet
hatte, trug sie ganz unerhörte Gerichte auf, Kartoffelsuppe und gebratenes
Hammelfleisch mit Kartoffeln. Davon konnte Katenka nicht genug bekommen, sie
lachte hell und war übermütig, doch als sie dann satt und von der Wärme
ermattet war, deckte sie sich mit dem Plaid ihrer Mutter zu und schlummerte süß
auf dem Sofa.
    Lara, die
die ganze Zeit am Herd gestanden hatte und jetzt müde, verschwitzt und
schläfrig war wie ihre Tochter, dabei aber zufrieden mit der Wirkung ihrer
Kochkunst, hatte es nicht eilig, den Tisch abzuräumen, saß da und ruhte sich
aus. Nachdem sie sich überzeugt hatte, daß ihre Tochter schlief, beugte sie
sich über den Tisch, stützte den Kopf auf und sagte: »Ich würde keine Kräfte
scheuen und mein Glück darin finden, wenn ich nur wüßte, daß dies alles nicht
vergeblich ist und zu irgendeinem Ziel führt. Du mußt mich immer wieder daran
erinnern, daß wir hier sind, um zusammen zu sein. Du mußt mir Mut machen und
mich nicht zur Besinnung kommen lassen. Denn strenggenommen, wenn wir's
nüchtern betrachten, was machen wir eigentlich? Wir sind in eine fremde Wohnung
eingedrungen, wir verfügen darüber, wir treiben uns ständig zur Eile, um nicht
zu sehen, daß dies kein Leben ist, sondern eine Theateraufführung, nichts
Ernstes, sondern >zum Spaß<, wie die Kinder sagen, eine Puppenkomödie. Da
lachen ja die Hühner.«
    »Aber mein
Engel, du hast doch selber gewollt, daß wir hierherfahren. Erinnere dich, ich
war lange dagegen und nicht einverstanden.«
    »Das
stimmt. Das bestreite ich nicht. Ich bin wirklich schuld. Du kannst natürlich
zaudern und überlegen, aber bei mir muß alles konsequent und logisch zugehen.
Wir haben das Haus betreten, du hast das Kinderbett deines Sohnes gesehen, und
dir ist schlecht geworden, du wärst vor Schmerz beinahe in Ohnmacht gefallen.
Das ist dein gutes Recht, doch ich darf das nicht, die Angst um Katenka, die
Gedanken an die Zukunft müssen zurücktreten vor meiner Liebe zu dir.«
    »Lara,
mein Engel, komm zu dir. Sich etwas anders überlegen, von einem Entschluß
zurücktreten, dazu ist es nie zu spät. Ich habe dir als erster geraten,
Komarowskis Vorschlag ernst zu nehmen. Wir haben ein Pferd. Wenn du willst,
sausen wir morgen zurück nach Jurjatin. Komarowski ist noch dort, ist nicht
abgereist. Wir haben ihn ja vom Schlitten aus gesehen, wobei er uns, glaube
ich, nicht bemerkt hat. Wir treffen ihn bestimmt an.«
    »Ich habe
noch fast gar nichts gesagt, und schon klingt deine Stimme unzufrieden. Aber
habe ich nicht recht? Ein so unsicheres Versteck, auf gut Glück, hätten wir
auch in Jurjatin finden können. Um uns wirklich in Sicherheit zu bringen,
hätten wir einen wohldurchdachten Plan haben müssen, wie es uns dieser gewiefte
und

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