Boris Pasternak
gelähmt, lieber bei mir als
bei Petenka, sie hat so geguckt, als ob ich Schuld hätte, denkt bloß mal, was
es für böse und unwissende Menschen gibt auf der Welt. Und jetzt hört gut zu,
alles bisher waren bloß Blümchen, wie man so sagt, ihr werdet nur so staunen,
was jetzt kommt.
Wir hatten
damals die NOP, und tausend Rubel waren bloß eine Kopeke wert. Onkel Wassili
hat unten im Ort eine Kuh verkauft und zwei Säcke Geld mitgebracht,
Kerenski-Rubel hieß das, Entschuldigung, nein, Limonen sagte man damals, er hat
gesoffen und seinen Reichtum in ganz Nagornaja ausposaunt.
Ich weiß
noch, es war ein windiger Herbsttag, der Wind hat am Dach gezerrt und einen
umgeworfen, und die Lokomotiven haben die Steigung nicht geschafft, wenn ihnen
der Wind entgegenblies. Da ist von oben eine alte Frau gekommen, eine
Wallfahrerin, und der Wind hat ihren Rock und das Tuch gezaust.
Die
Wallfahrerin hat gestöhnt und sich den Bauch gehalten, und sie hat uns gebeten,
sie ins Haus zu lassen. Wir haben sie auf die Bank gelegt, au, hat sie
geschrien, ich kann nicht mehr, ich hab Magenkrämpfe, ich muß wohl sterben. Und
dann hat sie gebeten, bringt mich um Christi willen ins Krankenhaus, ich kann
auch bezahlen, es tut mir nicht leid ums Geld. Da hat Papachen den Draufgänger
eingespannt, hat die alte Frau auf den Wagen gelegt und sie zum
Semstwo-Krankenhaus gebracht, das war fünfzehn Werst von der Strecke weg.
Wie lange
es gedauert hat, weiß ich nicht mehr, Tante Marfa und ich haben uns schlafen
gelegt, da hörten wir, wie der Draufgänger vor dem Fenster wiehert und unser
Wagen in den Hof fährt. Das war irgendwie viel zu früh. Na, Tante Marfa hat das
Feuer angeblasen und die Jacke angezogen, sie wollte nicht warten, bis Papachen
klopft, und hat selber den Haken aufgemacht.
Sie macht
also den Haken auf, aber vor der Tür steht nicht Papachen, sondern ein fremder
Kerl, schwarz und unheimlich, der sagt: >Zeig mir, wo das Geld für die Kuh
ist. Ich<, sagt er, >hab im Wald deinen Mann umgebracht, aber dir tu ich
nichts, Weib, wenn du mir sagst, wo das Geld ist. Sagst du's aber nicht, dann
weißt du ja Bescheid, dann bist du selber schuld. Laß mich besser nicht warten.
Ich hab keine Zeit, mich hier mit dir zu amüsieren.<
Du lieber
Gott, Genossen, was uns da geschah, versetzt euch in unsere Lage! Wir haben
gezittert, wir waren mehr tot als lebendig, wir konnten nicht reden vor
Entsetzen, grauenhaft war's! Erstens, weil er Wassili umgebracht hat, er sagte
uns, er hat ihn mit der Axt erschlagen. Und zweitens dieses Unglück: Wir allein
mit dem Räuber in dem Wärterhaus; natürlich war das ein Räuber, den wir im Haus
hatten.
In dem
Moment wohl hat Tante Marfa den Verstand verloren, das Herz ist ihr fast
geplatzt wegen ihrem Mann. Dabei mußte sie tapfer sein, durfte es nicht zeigen.
Als erstes
ist sie ihm zu Füßen gefallen. Erbarm dich, hat sie gesagt, tu mir nichts, ich
weiß von nichts, ich hab keine Ahnung von deinem Geld, was redest du, das hör
ich zum erstenmal. Aber als ob der Verfluchte so einfaltig war, daß er sich mit
Worten abspeisen ließ. Und da ist ihr ein Gedanke gekommen, wie sie ihn
überlisten könnte. >Na schön<, hat sie gesagt, >du sollst deinen
Willen haben. Das Geld ist unterm Fußboden<, hat sie gesagt. >Ich mach
die Falltür auf, dann kannst du runtersteigen.< Der Satan aber hat ihre List
durchschaut. >Nein<, hat er gesagt, >du bist die Hausfrau, du kannst
das besser. Steig selber runter<, hat er gesagt. >Wenn du willst, unterm
Fußboden, wenn du willst, auf dem Dach, Hauptsache, ich krieg das Geld. Aber
merk dir<, hat er gesagt, >mit mir ist nicht gut Kirschen essen.<
Da sagt
sie zu ihm: >Gott sei mit dir, was zweifelst du? Ich würd's ja machen, aber
ich kann nicht. Ich will dir lieber von der obersten Stufe leuchten. Keine
Bange, damit du mir glaubst, geb ich dir meine Tochter mit runter< - so wie
mich.
O mein
Gott, liebe Genossen, stellt euch vor, wie mir wurde, als ich das hörte! Ich
dachte, das ist das Ende. Mir wurde schwarz vor den Augen, die Beine sind mir
eingeknickt, und ich hab gedacht, ich fall hin. Aber der Bösewicht, wieder
nicht dumm, hat uns beide angeguckt mit schmalen Augen und schief gegrinst.
>Denkste<, hat er gesagt, >mich legst du nicht rein.< Er hat gesehen,
daß es ihr nicht leid war um mich, ich war nicht ihre Tochter, ich war fremdes
Blut, da hat er Petenka am Arm geschnappt, mit der andern Hand nach dem Ring
gegriffen und die Falltür aufgemacht. >Leuchte mir<, hat
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