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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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mitteleuropä-
    isch aussehende Frau trat in den Lichtschein. «Bitte entschuldigen Sie», sagte sie auf Deutsch. «Pham?»
    Sie sprach eine Weile auf Vietnamesisch mit dem Jungen. Ihre Stimme klang sanft und tröstend. Dann sah sie Richard Landen an, der sich mittlerweile aufgerichtet hatte. «Er dachte, Sie wären seine neuen Eltern.» Sie lächelte bedauernd. «Aber er muss noch ein paar Tage warten.»
    Louise schätzte sie auf Mitte vierzig. Sie trug eine Daunenjacke, Jeans, Wanderschuhe. Ihr Blick war selbstbewusst, ihre Haltung auch. Sie sagte: «Annegret Schelling» und reichte ihnen die Hand.
    Der Junge hatte einen Arm um ihr linkes Bein geschlungen. Annegret Schelling streichelte ihm mit der linken Hand über den Kopf. «Noch achtmal schlafen», sagte sie auf Deutsch, «dann ist es so weit. Wünschen Sie ihm Glück, dass es gute Eltern sind. Auf Wiedersehen.» Ein Zwinkern, ein Lächeln, dann verschwand sie, den Jungen an der Hand, im dunklen Gang.
    Georges begleitete sie hinaus. Fieberhaft überlegte Louise, welche Fragen sie ihm noch stellen konnte.
    Welche Fragen Justin, Schneider und Anne Wallmer nicht gestellt hatten. Fragen, die zu Antworten auf andere Fragen führten: Weshalb war Taro mitten in der Nacht von hier fortgegangen? Woher stammten die Wunden? Warum hatte er sich Richard Landen oder jemand anders nicht offenbaren wollen? Warum waren ihm Männer gefolgt, die vor Polizistenmord nicht zurückschreckten?
    Georges ließ ihnen die Lampe für den Rückweg zum Parkplatz und legte die Hände vor der Brust zusammen. Dann eilte er in Richtung Dharma-Halle.
    «Und jetzt?», fragte Richard Landen. «Zurück in den Urlaub?»
    «Genau.» Sie nahm ihm die Lampe aus der Hand und ging voran.

    Erst im Wald wurde ihr bewusst, dass in Taros Zelle nicht nur jegliche persönlichen Gegenstände gefehlt hatten, sondern auch religiöse. Keine Bücher mit buddhistischen Texten, keine Symbole, keine Bilder von Buddha oder anderen Heiligen. Sie fragte Richard Landen, weshalb. Er erwiderte, im Zen gebe es verschiedene Schulen, und in manchen spielten Sutras, Devotionalien und die buddhistische Ikonografie nur eine geringe oder keine Rolle. Sie dachte, wie einsam und ungeborgen sie sich mit einer solchen Religion fühlen würde. Keine heiligen Bücher, keine Götter, keine Gegenstände. Allein allem ausgesetzt, das da von außen oder innen kommen mochte.
    Richard Landen sprach noch immer. Sie lauschte dem Klang seiner schönen, langweiligen Stimme und überlegte, ob sie sich umdrehen und ihn küssen sollte.
    Ob sie ihm die Kleider vom Leib reißen und überprü-
    fen sollte, wie spannend er sein konnte.
    Aber dann hätte er den Alkohol geschmeckt.
    Auf dem Parkplatz standen nur noch ihre beiden Autos. Sie löschte die Lampe und stellte sie ans Ende des Weges. Richard Landen sagte: «Halten Sie mich auf dem Laufenden?» Sie nickte, dann stiegen sie ein.
    Landen setzte zurück und wendete. Als das Heck des Volvos für einen Moment höher stand als der vordere Teil, beleuchteten die Scheinwerfer den Boden unmittelbar davor. Im matschigen Erdreich wurden tiefe, breite Reifenspuren sichtbar.
    Erinnerungen schossen in ihr hoch. Die Spuren verschwammen vor ihren Augen. Sie sah ein verschneites, im Mondlicht wächsern schimmerndes Feld. Eindrücke von breiten Reifen, die sich im Schneematsch am Wald entlangzogen. Den toten Niksch.
    Fluchend sprang sie aus dem Wagen und hob eine Hand. Sie hörte, dass Landen die Handbremse anzog.
    Er stieg aus. «Fragen Sie nicht», sagte sie.
    Landen machte «Hm».
    Sekundenlang starrte sie auf die Reifeneindrücke.
    Zumindest eine Ähnlichkeit schien vorhanden zu sein. Aber was hatte das schon zu besagen?
    Wütend knetete sie die Anoraktaschen. Kinderspuren, Reifeneindrücke – ihre Gedankengänge wurden immer abstruser, ihre Verknüpfungsversuche immer hilfloser. Wie viele geländewagenartige Autos gab es im Raum Mulhouse / Freiburg?
    Immerhin vermutlich weniger als Kinder. Trotzdem mussten es hunderte sein. Sie fluchte erneut.
    «Was stimmt nicht?», fragte Richard Landen.
    Sie bedeutete ihm mit einer Geste zu schweigen.
    Was für ein Auto hatte neben Landens Volvo geparkt? Sie hatte nicht darauf geachtet, weil der Volvo davor gestanden hatte. Sie hatte das Freiburger Kennzeichen gesehen, die Hand auf die Motorhaube des Volvos gelegt und hineingeschaut und an nichts anderes mehr gedacht als an die Ordnung Richard Landens.
    «Erinnern Sie sich an das Auto, das neben Ihrem stand?»

    «Nein.

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