Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
Vom Netzwerk:
Gebäuden zu. Wer befand sich darin? Oder standen sie doch leer? Aber wo waren die Asile-Leute dann? Hatte ihnen eine Woche gereicht, um sich abzusetzen?
    Kaum. Am Tag nach dem «Unfall» nahe Mulhouse waren ihre Namen auf die Fahndungslisten gekommen. Sie hatten nur eine geringe Chance, unentdeckt über einen EU-Flughafen zu entkommen.
    Wie mochte Mahler auf die Zerschlagung der Organisation reagiert haben? Falls er vor einer Woche hier gewesen war, hatte er dann bis heute abgewartet?

    Möglicherweise. Aber sie mussten damit rechnen, dass Steiner ihn heute Morgen telefonisch gewarnt hatte.
    Sie griff in die rechte Anoraktasche und zog den Kopf ein. Sie hatte den Vorrat vor den Augen ihres Vaters aufgefüllt. Er hatte nichts gesagt, sie hatte nichts gesagt.
    Sie schraubte das Fläschchen zu und steckte es vor sich in den Schnee. Mit dem Zeigefinger drückte sie es so tief hinein, dass es nicht mehr sichtbar war. Dann schob sie Schnee auf die Stelle und klopfte ihn fest.
    So viel zu Mahler. Doch was war mit den anderen?
    Annegret Schelling war bei dem Unfall verletzt worden, ebenso der Fahrer des Sharan, wenn auch vermutlich nicht schwer. Unmittelbar danach hatten sie sich kaum hierher zurückgezogen. Eher hatten auch sie Steiner aufgesucht – zusammen mit der schwangeren Asiatin. Er hatte sich um die Wunden gekümmert. Dann waren Schelling und der Fahrer hier oder an einem anderen Ort untergetaucht.
    Und Fröbick und Lebonne? Die Schwangere?
    Pham? Die anderen Kinder? Aber wie viele Kinder waren noch nicht weitergegeben worden? Am Mittwoch vergangener Woche hatte Annegret Schelling gesagt, Pham müsse noch achtmal schlafen, bevor er zu seinen neuen Eltern kommen werde. Wie viele andere Kinder zu diesem Zeitpunkt bei ihr gewesen waren, wussten sie nicht. Zwei Tage davor war Schelling für Justin Muller nicht zu sprechen gewesen, weil sie mit «den Kindern» angeblich auf einem Pony-Hof gewesen war.
    Seit Donnerstagabend hatte sich alles verändert. Es war gefährlich geworden, mit asiatischen Kindern durch Südwestdeutschland, das Elsass oder die Vogesen zu fahren.
    Angenommen, am Donnerstagabend waren noch nicht alle Kinder abgeliefert gewesen-was hatten Mahler und seine Leute mit ihnen gemacht, nachdem klar war, dass sie aufgeflogen waren? Dass die Kinder ihnen vermutlich kein Geld mehr bringen würden, sondern jahrelange Freiheitsstrafen? Denn falls Steiner nichts Konkretes wusste, Jean Berger nicht gefasst wurde und es über die Adoptionsvermittlungen keine Aufzeichnungen gab, würde es schwierig werden, Mahler, Natchaya, Schelling und den anderen nach-zuweisen, dass sie illegal asiatische Kinder an europä-
    ische Eltern oder Pädophile / Päderasten verkauft hatten.
    Befanden sich noch Kinder bei ihnen, wäre es leichter.
    Mühsam stand Louise auf. Für einen Moment war ihr schwindlig. Dann stapfte sie durch die Schneewehe auf das vordere Haus zu.
    «He», raunzte Bermann, «bleib, wo du bist!»
    Das Gebäude befand sich etwa dreißig Meter vor ihr. Es wäre für Bermann oder jemand anders ein Leichtes gewesen, sie zurückzuhalten. Doch niemand kam.
    «Scheiße, Luis», sagte Bermann. Es klang resigniert.
    Sie spürte die Blicke der Kollegen. Alle Gespräche waren verstummt. Sie wünschte, Lederle wäre hier. Er hätte Bermann und den anderen vielleicht erklärt, was sie tat, und dass sie ihr vertrauen konnten. Andererseits spielte es keine Rolle. Sie war doppelt krankge-schrieben. Es würde lange dauern, bis sie gesund war und zurückkehren würde.
    Aber das war jetzt nicht wichtig. Nur die Kinder waren wichtig. Pham, Areewan. Auch Natchaya, die vielleicht bloß ein bisschen böse war.
    Sie fragte sich, wie sie es verkraften sollte, falls in einem der Gebäude tote Kinder lägen. Wie sie es hätte verhindern können. Was zu welchem Zeitpunkt schief gelaufen war. Ob es vermessen war zu glauben, sie könnte die Welt retten, wenn sie nicht einmal sich selbst retten konnte.
    Dreißig, fünfunddreißig Meter, und doch hatte sie den Eindruck, unendlich lange unterwegs zu sein. Sie ging durch ein Vakuum, einen kalten weißen Raum, in dem es keine Zeit gab. Calambert, Taro, Richard Landen, der Roshi, Natchaya befanden sich darin.
    Nur Pham fehlte.
    Dann betrat auch Bermann den Raum. Sie wandte sich um.
    «Ich bin da, Luis», sagte er. Er ging zwei Meter hinter ihr, die Waffe in der Hand.
    Sie sah wieder nach vorn. Am Haus tat sich nichts.
    Von rechts und links bewegten sich schwarze Flecken heran. Flüsternde Stimmen

Weitere Kostenlose Bücher