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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Sommer der Mörder
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nur über das Glottertal. Am Ortsausgang brach Anne Wallmer ihr Schweigen. Sie fragte, wer der Mann sei, von dem Thomas Ilic gesprochen habe, Ratko Mladic. Louise sagte, dass Mladic, soweit sie sich erinnere, im Jugoslawienkrieg der Armee der bosnischen Serben angehört habe und einer der Verantwortlichen für das Massaker von Srebrenica sei. Massaker an wem?, fragte Anne Wallmer. An bosnischen Muslimen, sagte Louise. Anne Wallmer nickte und sagte nichts mehr.
    Louise dachte an Pauling. Er würde gehen. Als Polizist in leitender Funktion ging man nach einer solchen Katastrophe.
    Vielleicht hätte sie damals, im Winter, auch freiwillig gehen müssen. Offiziell hatte ihr niemand die Verantwortung für Nikschs Tod gegeben. Aber sie hätte sie übernehmen können, so wie Pauling die Verantwortung für Peter Mladic’ Tod übernehmen würde.

    Als Marcel anrief, waren sie eben auf die B 3 gefahren.
    »Was ist passiert?«
    »Sie waren dort?«
    »Zumindest nah genug, um den Schuss zu hören.«
    »Bo hat einen Kollegen vom MEK erschossen.«
    Marcel schwieg. Dann sagte er: »Ich hatte Sie gewarnt.«
    »Ja. Es wurde … unübersichtlich.«
    »Und jetzt? Bleibt es bei unserer Vereinbarung?«
    »Im Prinzip schon.«
    »Im Prinzip, Frau Bonì?«
    »Ich brauche eine Telefonnummer. Mein Chef hat Zweifel.«
    Anne Wallmer sah sie mit einem Ausdruck müder Überraschung an. Sie zuckte die Achseln. Intuition, vielleicht auch nur Erschütterung. Die Erinnerung an Peters Finger, die vor ihrem inneren Auge unablässig Klavier spielten ohne Klavier.
    »Ihr Chef hat Zweifel?«

    »Er will irgendwo anrufen können und bestätigt bekommen, dass Sie existieren.«
    Marcel seufzte.
    Dann diktierte er ihr eine Telefonnummer mit Münchner Vorwahl.

    Sie rief von ihrem Büro aus an, sprach mit einem Mann mit brummiger Stimme und bayerischem Dialekt aus der Abteilung fünf des BND. Ja, ja, der Mann, den sie »Marcel« nenne, arbeite für den Dienst und sei Mitglied einer verdeckt operierenden Einheit, der auch Geheimdienstler befreundeter Länder angehörten, seit dem elften September arbeite der Dienst, wie sie wisse, »modifiziert«, eben zum Beispiel so.
    Und was tun die?
    Kontakt mit einem pakistanischen Informanten aufnehmen, wenn ihr sie nicht dabei stört.
    Anne Wallmer hob den Daumen.
    »Reicht Ihnen das?«, fragte der Mann.
    Louise bejahte.
    Der Mann sagte: »Wählen Sie diese Nummer nie wieder.«
    Sie legte auf, dachte: so ein Blödsinn. Informationen aus mysteriösen Quellen – begann das Scheißspiel von vorn? Sie betätigte die Wahlwiederholung, über den Lautsprecher erklang das Freizeichen. Niemand nahm ab.
    »Also, damit ist es geklärt«, sagte Anne Wallmer. »Sogar das mit dem Amerikaner. Oder? Jetzt ist es geklärt.«
    »Ja«, sagte Louise. Aber sie dachte, dass nichts geklärt war.
    Sie bat Anne Wallmer, Bermann über die Telefonate mit Marcel und dem Mann in Pullach zu informieren.
    Anne Wallmer nickte. »Aber jetzt komm.«
    »Wohin?«
    »In mein Büro. Du brauchst einen sauberen Verband.«
    Während sie zur Tür gingen, dachte sie, dass sie über so vieles hätten sprechen müssen. Warum hatte Marcel ihr die Telefonnummer erst jetzt gegeben? Warum sollte sie dort nicht mehr anrufen? Wer war der Mann mit dem bayerischen Dialekt?
    Was genau war das für eine Einheit? Welche Aufgaben hatte sie? Warum bediente sie sich extralegaler Methoden, wenn sie dem BND angehörte? Und war es wirklich denkbar, dass Marcel, der doch fast alles wusste, nicht wusste, wer das Waffendepot in die Luft gesprengt hatte?
    Aber sie war viel zu erschöpft, um jetzt über diese Dinge zu sprechen.
    An der Tür warf sie einen Blick auf die lachenden Kinder in den roten Roben. Doch sie sah Peter Mladic’ Finger, die Klavier spielten ohne Klavier.

    Anne Wallmer verband ihren Arm schweigend. Louise war überrascht, wie sanft ihre kräftigen Hände sein konnten. Hände, die täglich Gewichte stemmten, Judogriffe ausführten, die Verhaftete ohne Chance auf Gegenwehr fixierten.
    Ihre Blicke begegneten sich.
    »Das machen wir jetzt jeden Tag, ja?« Anne Wallmer lächelte.
    Sie sah aus, als hätte sie gern eine Weile geweint, sich aber nicht getraut.
    Louise nickte, bewegte den Arm. »Perfekt, danke.« Sie stand auf. »Sag mal ›Kirchzarten‹, Anne.«
    Anne Wallmer stammte aus Köln. Sie sagte Kirch zarten. »Wie alle.«
    Louise nickte. Wie alle, die nicht aus dem Breisgau stammten.

    Im Auto hörte sie ihre Mailbox ab. Zwei neue Nachrichten, die erste stammte

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