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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Sommer der Mörder
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Ampel am ehemaligen Zisterzienserkloster vor ihr auf, eine hektische Straßenbahnsirene erklang. Sie bremste hart. Die Straßenbahn glitt vorbei, helle fremde Gesichter waren ihr zugewandt. Sie versuchte, sich an den Kilometer zwischen der Wiehre und Günterstal zu erinnern, aber es gelang ihr nicht.
    Sie hatte einen Kilometer lang geschlafen.
    Sie fuhr weiter, mit angespannten, ausgestreckten Armen das Lenkrad haltend, um nicht wieder einzuschlafen.

    Vor dem Haus mit der Trauerweide stand der Volvo. Sie hielt dahinter, stieg aus. Die Tasche ließ sie im Auto. Sie wollte Richard Landen nicht erschrecken.
    Auf dem Armaturenbrett des Volvos lag ein Handy. Auf dem Beifahrersitz sah sie zerknüllte Papiertüten, Taschentücher, Plastikflaschen, Bücher. Mit der Landen’schen Ordnung war es ganz offensichtlich vorbei. Vielleicht war sie auch nur eine Tommo’sche Ordnung gewesen.
    Das Haus war hell erleuchtet, durch alle Fenster drang Licht.
    Sie hörte schnelle, rhythmische Musik, die ihr bekannt vorkam.
    Am Gartentor dachte sie an Niksch. Aber die Musik vertrieb die Erinnerung.
    Sie klingelte, Landen öffnete. Er lächelte, sagte: »Ich wusste es.«
    Dann weißt du auch den Rest, dachte sie.

    Er führte sie ins Wohnzimmer. Die Fenster zum Garten und die Terrassentür standen offen. Seit ihrem letzten Besuch Anfang des Jahres hatte sich nichts geändert. Der Esstisch aus hellem Holz, statt einer Sitzecke weiche beige Kissen. Auf dem Boden eines fensterlosen Erkers eine Blumenvase mit drei einzelnen Blumen, darüber hing eine Kalligrafie. Sie erinnerte sich.
    Tokonoma, die Bildnische.
    Nur die Musik war neu und veränderte alles.
    »Santana?«
    » Moonflower, die Platte aller Platten.«
    Sie musste schmunzeln. Sie waren im selben Jahrzehnt kulturell geprägt worden, das schlug manchmal durch. Sie begann, sich sehr wohl zu fühlen. Die Musik vermittelte ihr ein Gefühl von Heimat. Sie war nie auf dem Feldberg gewesen, auf dem Schauinsland, aber es gab ja auch eine Heimat in der Zeit.
    Und es gab, zum Beispiel, Santana.
    »Zusammen mit Pink Floyd, Darkside of the Moon « , sagte sie.
    »Und Ende der Sechziger The Doors. «Richard Landens Augen glühten. Er war unrasiert, trug Jeans und T-Shirt. Sie sah und spürte, dass er auf dem Sprung in ein neues Leben war.

    Aber der Abschied vom alten fiel ihm nicht leicht.
    Das eigene Kind am anderen Ende der Welt.
    »Nicht zu vergessen Genesis, Seconds Out « , sagte er.
    »Und viele andere.«
    »Möchtest du was trinken?«
    »Was hast du?«
    »Mineralwasser, Apfelsaft, Orangensaft, Birnensaft, Pflaumensaft, Johannisbeersaft, Karottensaft, Tomatensaft.«
    Sie lachte. Er hatte für sie eingekauft. »Ich hatte mit Tee gerechnet.«
    »Na ja, du kannst natürlich auch Tee haben.«
    »Ich nehm Birnensaft. Danach werd ich duschen. Und danach werd ich schlafen. Ist das okay?«
    »Natürlich.«
    Sie gähnte. »Oder dusche ich, bevor ich was trinke?«
    »Wie du möchtest.«
    Sie gähnte weiter. »Ich glaub, ich möchte erst mal Kaffee.«
    »Espresso?«
    Sie gähnte immer noch. »Einen doppelten.«
    Ihre Blicke trafen sich. Sie zuckte die Achseln. So war das nun mal mit den Wörtern, wenn sie ihre Unschuld verloren hatten.
    Sie erinnerten immer nur daran.
    »Kommst du mit in die Küche?«
    Sie kam mit in die Küche.

    Auch die Küche war unverändert. Die schwarze Porzellankatze auf dem Fenstersims, das Mobiliar aus hellem Holz, die Wände maisgelb gestrichen. Der Tisch, an dem sie im Winter gesessen hatten, Richard Landen, sie, Niksch.
    Es war nicht ganz so schlimm, wie sie erwartet hatte.
    »Ich war im Frühling an seinem Grab«, sagte Landen.
    Sie sah ihn erstaunt an. »Warum?«
    »Weiß ich nicht. Vielleicht, weil wir zusammen hier gesessen haben.« Er füllte Wasser in eine chromfunkelnde Espressomaschine.
    »Ich gehe am Wochenende hin.«
    Er nickte.
    Das Espressotässchen glich dem zierlichen Teetässchen vom Winter. Sie hielt es am Rand, den Henkel hätte sie vermutlich abgebrochen.
    Sie tranken im Stehen.
    Niksch war da und nicht da.
    Vielleicht war die Erinnerung an ihn nur deshalb noch so schmerzhaft, weil sie ihn damals im Wald gefunden hatte. Weil sie ihn wenige Minuten, nachdem er gestorben war, in den Armen gehalten hatte. Wenn sie ihn nicht gefunden hätte, hätte sie sich auf eine andere, schönere Weise an ihn erinnert.
    Wenn sie ihn nicht in den Tod geschickt hätte.
    Aber sie hatte ihn nicht in den Tod geschickt. Sie hatte ihn nur gebeten, auf Taro aufzupassen.
    Sie

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