Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
ihren Lippen.
»Jetzt schon«, sagte sie, legte die Arme um seinen Hals und den Kopf auf seine Schulter.
Der Regen wurde für ein paar Minuten stärker, dann hörte er plötzlich auf. Aber in den tiefhängenden schwarzen Wolken grollte und knurrte es.
Sie hatte sich auf den zweiten Stuhl gesetzt, trank Birnensaft, kämpfte gegen die Müdigkeit. Jetzt nicht einschlafen, dachte sie.
Nicht jetzt.
Die Luft war warm und feucht und schwer.
Sie legte eine Hand auf den Tisch, der zwischen ihnen stand.
Nur für den Fall, dass Richard Landens Hand da war.
Sie war nicht da.
Sie hätte gern über sein Kind gesprochen, das in Japan zur Welt kommen, in Japan leben würde. Über ihre beiden Brüder, den toten und den lebenden. Aber sie dachte, dass dies nicht der Moment war für solche Gespräche. Sie war ja nicht gekommen, um zu reden.
»Machst du mir noch einen Espresso?«
»Natürlich.« Er stand auf, ging ins Haus.
Sie ließ den Blick über den Garten gleiten. Hier herrschte, soweit sie es in der Dunkelheit sehen konnte, keine Ordnung.
Der Garten sah aus, als dürfte alles wachsen, wie es wachsen wollte, bis zufällig jemand kam, um es ein wenig zu kürzen.
Dann wuchs es wieder, wie es wollte.
Als Landen mit dem Espresso zurückkehrte, sagte sie: »Der Garten, das ist dein Revier?«
»Sieht man das?«
»Kein Zen.«
Sie lachten.
Landen setzte sich. Sie füllte Zucker in den Espresso, sah, dass er sie dabei beobachtete. Fremde Hände, fremde Bewegungen.
Er wirkte interessiert. Sie glaubte, dass ihm ihre Hände und ihre Bewegungen gefielen.
Sie dachte an seine Hände. An seine Gier.
»Warum ein Ring ausgerechnet am Daumen?«
Sie zuckte die Achseln, trank den Espresso.
»Silber steht dir.«
»Ja.«
»Und Gold? Warum kein Gold? Magst du Gold nicht?«
»Nein.«
Sie stand auf, zog T-Shirt und BH aus, ging zu ihm. Sie fühlte sich unglaublich erotisch, unglaublich erotisiert. Alles war warm, feucht, schwer, alles war geschwollen. Landen folgte ihr mit dem Blick. Noch bevor sie auf ihm saß, waren seine Hände wieder da.
Auch seine Hände waren warm, feucht, schwer.
Sie stützte die Ellbogen auf seine Schultern, während sie sich küssten. Sie dachte, dass sie Tommos Mann küsste, dass sie sich von Tommos Mann streicheln ließ, dass sie sich von Tommos Mann die Hose aufknöpfen ließ.
Sie drehte sich um, damit er eine Hand in ihre Hose bekam.
Als die Hand eine Weile in seiner Hose gewesen war, flüsterte Tommos Mann an ihrem Ohr: »Nicht hier, Louise. Nicht jetzt.«
Sie blieb noch einen Moment auf ihm sitzen, für den unwahrscheinlichen Fall, dass er es sich anders überlegte.
Und weil die Hand noch da war.
»Verstehst du mich?«
Sie hatte sich wieder angezogen, saß wieder auf dem anderen Stuhl. Gähnend antwortete sie: »Kommt drauf an.«
»Worauf?«
»Auf den Zeitpunkt.« Auf seinem Schoß verstand sie ihn nicht. Auf der anderen Seite des Tisches schon.
Er nickte und wandte den Blick ab. Seine Finger strichen über ihre Finger. Er sagte: »Auch wenn wir uns trennen, das ist ihr Ort. Sie ist hier. Das Haus ist ein Teil von ihr, es gehört zu ihr
… Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Es würde sie zutiefst verletzen. Es würde etwas zerstören, das für sie und für mich einmal sehr wichtig war. Mein Gott, man kann doch nicht ohne Rücksicht auf einen Menschen leben, den man einmal geliebt hat.«
Sie gähnte erneut. Sie wusste nicht, was sie konnte und was nicht. Ob sie an dem Punkt, an dem sie gewesen waren, noch hätte aufhören können. Trotz aller Skrupel hatte sie angefangen.
Aber sie glaubte ihn zu verstehen. Für ihn waren auch Rücksichtnahme, Zurückhaltung, Verzicht auf irgendeine Weise Leidenschaft. Eine ganz persönliche Leidenschaft, die ihn erfüllte.
Sie verzichtete mit Bedauern. Er verzichtete mit Hingabe.
»Gut«, sagte sie, »aber irgendwann beginnt ein neues Leben.«
»Shizu und mein Sohn werden auch ein Teil meines neuen Lebens sein.«
»Ja, aber irgendwann wirst du nichts mehr zerstören, wenn du die Hand in meiner Hose hast. Außer vielleicht meine Hose.«
Er lachte überrascht.
»Ich meine, man kann’s mit allem übertreiben«, sagte sie.
»Das ist wahr.«
»Auch mit der Rücksicht und den Skrupeln.«
»Tue ich das? Ja, manchmal vielleicht.«
»Ich werd dir helfen, das richtige Maß zu finden.«
Er lächelte. »Aber lass das T-Shirt erst mal an.«
Irgendwann fielen ihr die Augen zu. Sie spürte Landens Hand in ihrer, die warme, schwere Luft,
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