Boys Dont Cry
Krankenhaus wurde Adam sofort geröntgt und in den Operationssaal gebracht. Ich rief Dad an, ohne so recht zu wissen, was ich ihm sagen sollte. Bereits nach zweimaligem Läuten ging er ran.
»Hallo, Dante. Ich hoffe, ihr Jungs seid auf dem Heimweg. Es ist schon spät. Hattet ihr einen schönen Abend?« Dads muntere Stimme irritierte mich. »Und mach dir keine Sorgen um Emma. Sie schläft wie ein Murmeltier.«
»Dad, ich … bin im Krankenhaus.«
»Was? Warum? Was ist passiert?« Sofort änderte sich sein Ton.
»Adam … Adam ist zusammengeschlagen worden. Dad, er ist sehr schwer verletzt …«
Plötzlich stand ein kahlköpfiger Arzt von der Statur eines Kleiderschranks vor mir. Ich bin groß, aber zu diesem Riesen musste selbst ich aufblicken. »Dante, ich muss Sie untersuchen. Außerdem sollten Sie hier drin wirklich kein Handy benutzen.«
»Ich spreche gerade mit meinem Dad.«
»Mit dem können Sie auch noch reden, nachdem ich Sie durchgecheckt habe«, beharrte der Arzt. »In Ordnung?«
Vielleicht hatte Dad den Arzt gehört, der mich zum Auflegen drängte. Vielleicht hatte ihm auch mein Ton genügt. Jedenfalls erkundigte er sich nicht nach weiteren Einzelheiten.
»Bin schon unterwegs«, sagte er finster entschlossen, bevor er das Gespräch beendete.
»Mich brauchen Sie nicht zu untersuchen. Ich will bei meinem Bruder bleiben«, sagte ich, als ich das Handy in die Hosentasche steckte.
»Er ist in guten Händen«, versuchte mich der Arzt zu beruhigen. »Überlassen Sie das ruhig uns. Und in der Zwischenzeit müssen wir Sie durchchecken.«
Ich hatte kleinere Schnittwunden und Abschürfungen und massive Prellungen an Rücken und Beinen. Es tat aber nicht weh, zumindest nicht sehr. Ich hatte weder die Zeit noch das Recht, Schmerzen zu empfinden. Ich musste mich auf meinen Bruder konzentrieren. Dad traf etwa dreißig oder vierzig Minuten nach mir im Krankenhaus ein, die schlafende Emma auf dem Arm. Als ich sie sah, streckte ich die Arme nach ihr aus.
»Nein, schon gut«, sagte Dad. »Ich habe sie. Hat keinen Sinn, sie aufzuwecken.«
So saßen wir in der angespannten Stille, die auf den wütenden Sturm folgte, und warteten. Ich hatte in der vergangenen Stunde mehr gebetet als mein ganzes Leben davor. Adam durfte nicht sterben. Das war undenkbar. Ich konnte mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen.
Ich wollte es nicht.
Der Wartebereich, in den man uns nach Dads Ankunft geführt hatte, war ein offener Teil eines Korridors, wo ein paar graue Plastikstühle und ein Kaffeeautomat standen. Als wir dort ankamen, saß schon ein braunhaariger Mann Ende zwanzig da, aber nach einer Weile stand er auf und ging, ohne dass sich eine Krankenschwester oder ein Arzt um ihn gekümmert hätte. Dad und ich saßen schweigend da, während Emma tief und fest auf seinem Arm schlief.
»Was ist passiert?«, fragte Dad schließlich. Ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich erschrak.
»Wir wurden angegriffen«, sagte ich.
»Von wem?«
»Von ein paar Typen aus meiner alten Schule.«
»Du kennst die, die das gemacht haben? Sieh mich an, Dante.«
»Ja, ich kenne sie«, entgegnete ich und blickte ihm offen ins Gesicht. Ich wollte nichts vor ihm verbergen.
»Erzähl mir genau, was passiert ist«, forderte Dad.
Und das tat ich.
Ich erzählte alles.
»Und das ist der Josh, der immer bei uns war? Der angeblich dein Freund ist?«, fragte Dad.
Ich nickte.
Dad schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Wand hinter unseren Stühlen.
»Vor so etwas habe ich immer Angst gehabt«, sagte er leise.
Was gab es darauf schon zu erwidern? Nichts.
Lange, lange Zeit saßen wir schweigend da.
»Hast du der Polizei erzählt, was du mir gerade gesagt hast?«, fragte Dad nach einer ganzen Weile.
Ich nickte.
»Alles?«
»Ja, Dad.«
»Dante!«, rief Tante Jackie, die in dem Moment um die Ecke gebogen kam und uns entdeckt hatte. Im Eilschritt steuerte sie auf uns zu. Ich stand auf. Sie umarmte mich so fest, dass ich aufstöhnte, weil meine Arme schmerzten.
»Tyler.«
»Jackie.«
Dad und meine Tante wechselten einen kurzen Gruß, mehr nicht. Wir waren wohl alle zu besorgt, um Konversation zu machen. Tante Jackie setzte sich neben mich.
»Wie geht es ihm? Wie geht es Adam?«, erkundigte sie sich.
»Wir wissen es noch nicht«, antwortete Dad. »Er wird noch operiert.«
»Was ist passiert?«, wollte meine Tante wissen.
»Adam ist zusammengeschlagen worden«, erklärte Dad.
»Was? Warum? Von wem denn?«, fragte meine Tante
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