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Bradbury, Ray - Halloween

Bradbury, Ray - Halloween

Titel: Bradbury, Ray - Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halloween
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ich
jedes Jahr am Tag der Toten
mit Hochachtung zurückdenke.
1

E
    s war eine kleine Stadt an einem kleinen Fluß
und einem kleinen See in einem kleinen Teil
eines Staates im mittleren Westen. Es gab ringsum
nicht so viel Wildnis, daß man das Städtchen nicht
    hätte sehen können. Andererseits gab es aber auch
nicht so viel Städtchen, daß man die Wildnis nicht
hätte sehen und spüren und riechen und anfassen
können. Es gab viele Bäume im Städtchen. Und dürres Gras und verwelkte Blumen, jetzt, da der Herbst
gekommen war. Und viele Zäune, auf denen man
balancieren konnte, und Bürgersteige, auf denen man
Rollschuh fahren konnte, und eine tiefe Schlucht, in
die man fallen und über die man sich etwas zurufen
konnte. Und es gab viele …
Jungen.
    Und es war der Nachmittag vor dem Halloweenabend.
Und alle Häuser waren vor dem kalten Wind verschlossen.
Und das Städtchen war voll von kaltem Sonnenlicht.
Aber plötzlich war der Tag vorbei.
Unter jedem Baum kam die Nacht hervor und breitete sich aus.
Hinter den Türen der Häuser gab es ein Getrippel
wie von Mäusen, gedämpfte Schreie, flackernden
Lichtschein.
Hinter einer der Türen stand Tom Skelitt, dreizehn
Jahre alt, und horchte.
Der Wind dort draußen baute sich in jedem Baum
ein Nest, strich auf verborgenen Wegen über die
Bürgersteige wie unsichtbare Katzen.
Ein Schauer überlief Tom Skelitt. Man merkte
deutlich, daß der Wind heute nacht ein besonderer
Wind war und daß die Dunkelheit sich anders anfühlte als sonst, denn es war der Abend vor Allerheiligen. Alles schien aus weichem schwarzem oder goldenem oder orangefarbenem Samt gemacht. Aus tausend Schornsteinen quoll keuchend Rauch, der aussah wie die Federbüschel der Beerdigungszüge. Aus
Küchenfenstern drangen zweierlei Kürbisdüfte: Man
schnitt Gesichter in Kürbisköpfe, und es wurden
Kürbispasteten gebacken.
Die Rufe hinter den verschlossenen Türen wurden
erregter, als Schatten von Jungen an den Fenstern
vorbeihuschten. Halb angezogene Jungen mit Schminke im Gesicht: hier ein Buckliger, da ein mittelgroßer
Riese. Dachböden wurden durchstöbert, ehrwürdige
Schlösser aufgebrochen, alte Schrankkoffer durchwühlt auf der Suche nach Verkleidungen.
Tom Skelitt zog seine Knochen an.
Er grinste über die Wirbelsäule, den Brustkasten,
die Kniescheiben, die mit weißem Garn auf schwarzen Baumwollstoff gestickt waren.
Du Glückspilz! dachte er. Was für einen prima
Namen du hast! Tom Skelitt. Erstklassig für Halloween! Jeder nennt dich Skelett. Womit verkleidest du
dich also?
Mit Knochen.
Wumm! Acht Haustüren fielen ins Schloß.
Acht Jungen vollführten eine Reihe wunderschöner Sprünge über Blumentöpfe, Zäune, dürre Farnbüschel und Sträucher und landeten auf dem ausgetrockneten Gras der Vorgärten. Mitten im Galopp, im
Hinausstürzen rafften sie ein letztes Laken, rückten
sie eine letzte Maske zurecht, zupften sie an seltsamen
pilzförmigen Kappen oder Perücken und schrien, weil
der Wind ihnen half, beim Rennen half; sie freuten
sich über den Wind oder fluchten Jungenflüche, weil
Masken verrutschten oder zu Boden fielen oder weil
ihre Nasen plötzlich verstopft waren von Mullbinden,
die wie der heiße Atem eines Hundes rochen. Oder sie
stießen aus purer Lust, in dieser Nacht am Leben und
draußen zu sein, einen Schrei aus und noch einen
Schrei und noch einen … Schreiii!
Acht Jungen stießen an einer Kreuzung zusammen.
»Da bin ich: die Hexe!«
»Höhlenmensch!«
»Skelett!« sagte Tom, dem in seinem Knochenkostüm zum Lachen zumute war.
»Wasserspeier!«
»Bettler!«
»Der Tod persönlich!«
Rums! Unter der Straßenlaterne prallten sie zurück, lachend und ineinander verknäult. Die schaukelnde Lampe schwang im Wind wie die Glocke einer Kathedrale. Die Platten des Bürgersteigs verwandelten sich in die Planken eines betrunken dahintaumelnden Schiffs, das sich hierhin und dorthin
neigte und über dem Licht und Dunkelheit zusammenschlugen.
Hinter jeder Maske steckte ein Junge.
»Wer bist du?« Tom Skelitt zeigte mit dem Finger.
»Sag ich nicht. Ist geheim!« rief die Hexe mit verstellter Stimme.
Alle lachten.
»Und du?«
»Die Mumie!« rief der Junge in der uralten, vergilbten Umwicklung, der wie eine riesige Zigarre
durch die nächtlichen Straßen stapfte.
»Und du?«
»Keine Zeit!« sagte der Jemand, der hinter einer
anderen mysteriösen Maske aus Farbe und Stoff verborgen war. »Was Schönes her, sonst hexen wir!«
»Genau!«
Kreischend,

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