Bradens Vergeltung
seine Erfahrung und seine Ausbildung sie da heil rausholen würden.
18
Es war ein Traum. Sie wusste, dass es ein Traum war. Megan stand mitten im Trainingsraum der Akademie und rang schwer atmend nach Luft, nachdem sie das aufreibende Krafttraining absolviert hatte.
Sie war müde. Die anstrengenden Kurse an der Akademie tagsüber und dazu ihre nächtlichen Übungen wurden langsam zu viel für sie.
Die Hoffnungen, Träume und Hassgefühle ihrer Kommilitonen, deren Emotionen, die so qualvoll an ihren Kräften zehrten, hatten sie dazu getrieben, nachts ins Trainingscenter zu gehen. Dort versuchte sie dann, sich so sehr zu verausgaben, dass ihr Verstand sich nicht mehr darum scherte, welche Emotionen ihn bombardierten.
Doch irgendwie schien sie ihre Umgebung nicht ausblenden zu können. Die Erschöpfung fraß sie auf, vernebelte ihr Gehirn und machte es ihr unmöglich, individuelle Gedankenmuster voneinander zu trennen oder sie überhaupt zu unterscheiden.
Ein qualvolles Wimmern stieg in ihr auf. Es war nicht ihr eigener Schmerz, sondern der von jemand anderem, grell und aus tiefster Seele – eine glühend heiße Woge aus unstillbarem Leid und einer Wut, die sie in die Knie zwang und schwer atmen ließ.
Es war nicht das erste Mal, dass irgendwelche Emotionen in der Polizeiakademie sie außer Gefecht setzten. Die Rekruten waren jung, und manche neigten mehr zu Gewalttätigkeit als andere. Und so spät in der Nacht waren es die chaotischen Träume und Albträume der anderen, die auf sie einstürmten und ihren empfindsamen Verstand folterten.
Doch dieses Mal war es schlimmer. Vielleicht war die Mischung aus Erschöpfung und ihren eigenen Ängsten die Ursache dafür. Oder es war der Stress, diesen Fluch, der sie bei jedem Schritt verfolgte, vor ihren Vorgesetzten geheim zu halten, und gleichzeitig ihren Eltern zu versichern, dass die mentalen Schilde, die ihre ererbten Fähigkeiten kontrollieren sollten, sich allmählich entwickelten. Egal was es war, im Augenblick war sie gefangen im Schmerz und versuchte verzweifelt, die Kontrolle zurückzugewinnen.
Müde rappelte sie sich auf die Füße. Sie wankte unter dem Ansturm der Wut, die in ihrem Kopf pochte. Das Gefühl aufgestauten Entsetzens war eine Qual. Die lautlosen Schreie, die Entschlossenheit, den Albtraum aufzuhalten.
Flucht … Das Wort huschte durch ihren Verstand.
Freiheit … Das war kein Wort. Es war ein Flehen, eine abgrundtiefe Sehnsucht, die sie in ihren Grundfesten erschütterte.
Eine Hand an ihren Kopf gepresst, stolperte Megan auf die geschlossenen Flügeltüren zu, die aus dem Trainingsraum führten. Ihre Sicht war verschwommen, und gleißende Lichtblitze explodierten hinter ihren Augenlidern. Sie schüttelte den Kopf, griff nach dem metallenen Türgriff und drückte gegen die schwere Tür, während sie gegen das Wimmern ankämpfte, das ihr in der Kehle steckte.
Freiheit … Der Schrei hallte in ihrem Kopf wider, während ihr Magen sich gleichzeitig schmerzvoll verkrampfte. Gott, hatte sie jemals solchen Schmerz gespürt? Er stieg ungebeten in ihr auf, schnitt durch ihren Verstand und wurde immer stärker, als sie sich auf den Flur hinausschleppte.
»Megan. Liebes. Bist du das?«
Megan zuckte zurück und stürzte beinahe in ihrem verzweifelten Bemühen zu fliehen. Gleichzeitig versuchte sie, ihren Blick auf den Menschen zu fokussieren, von dem sie wusste, dass er der Feind war. Nein, der Feind eines anderen. Sie schüttelte den Kopf und kämpfte darum, sich von den verwirrenden Eindrücken abzuschotten, die auf sie einprasselten.
Aber der Mann vor ihr war nicht der Feind. Vor ihr stand stirnrunzelnd der beste Freund ihres Vaters, der ehemalige Kongressabgeordnete Mac Cooley. Seine strahlend blauen Augen sahen sie voll Mitgefühl und Sorge an. Sie schüttelte wieder den Kopf, um klar denken zu können. Das Böse, das sie in seiner Berührung gespürt hatte, verwirrte sie.
Sie räusperte sich, um möglichst normal zu klingen. »Tut mir leid, ich fühle mich gerade nicht so gut.«
Der Schmerz wurde stärker, und die Qualen, die er ihr verursachte, schnitten durch ihren Kopf und rissen sie förmlich entzwei.
»Du bist sehr blass, Megan. Komm, ich bringe dich zur Krankenstation.« Er streckte wieder die Hand nach ihr aus.
»Nein.« Megan schüttelte heftig den Kopf. »Es geht mir gut, wirklich.« Sie holte tief Luft und zwang sich zu einem Lächeln, als sie in seine strahlend blauen Augen sah.
Eis. Bittere Splitter eiskalter
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