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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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frühen Abend , als die Sonne untergegangen war, legte sie sie hinter einer Friedhofsmauer ab und deckte sie mit grünen, harzigen Zweigen zu, die sie mit Irm a Schilling von Tannen riss. Sie schämte sich, weil sie nichts anderes tun konnte, setzte sich auf eine Bank und betete, dass Ilse nicht von einem Tier geholt werden würde. Der Boden war gefroren, hart wie Eis. D ie Neiße, das Flüsschen eine Stunde westlich, sollte schon Pferdewagen tragen.
    „Gräm dich nicht, Kind“, sagte Frau Schilling. „Nun komm, zurück. Beten kannst du auch mit einem Dach über de m Kopf , auch wenn es nur ein Stall ist . Der Heiland ist überall. “
     
    M it den ersten milderen Tagen des Jahres 1945 kamen deutsche Soldaten auf verbeulten Lkws und Lazarett wagen. Keiner verstand, was sie machten, wohin sie fuhren, wessen Befehlen sie folgten. Schließlich zogen Kolonnen aus Panzern, Geschützen und Gelände wagen an ihnen vorbei . Die Soldaten redeten nur untereinander, schauten durch die starrenden Flüchtenden hindurch, als wären sie Luft.
    Im März, als Alma und ihre Schwestern die ersten sieben warmen Tage abgezä hlt hatten, zogen sie ihre durchlöcherten Strümpfe aus und warfen das, was von ihnen übrig war, ins Feuer .
    „Wo sollen wir hin?“, fragte Minna. Die Schwestern saßen mit Irma Schilling und Hildchen Glück auf dick en Scheiben aus Buchenstämmen . „Zurück können wir noch nicht.“
    „Hier bleiben geht aber auch nicht mehr lange gut“, sagte Frau Schill ing. „Ihr seht ja, wie sie alle nach uns und den anderen aus dem Osten gucken . Die haben Angst. Das spüre ich. Dass wir ihnen die Kartoffeln weg klauen und ihre Senfgurken.“
    „Ich sag e jetzt was“, sagte Frau Glück. „Der Spreewald. Das scheint mir doch… – ja, Irmchen, das ist einmal ein k luger Gedanke von mir, ich weiß. Ich sage: W ir ziehen in den Spreewald.“
    „Warum?“, fragte Alma. „Wo ist der?“
    „Ahh… gib mir einmal deine schöne Landkarte . Weit kann es nicht mehr sein, wo wir nun schon in der Lausitz sind. Hier… – da li egt Cottbus, eine große Stadt, s o wie Breslau. Und ein Stückchen weiter nördlich, nach Berlin hin… Da spaltet sich die Spree auf. Hier, wo meine Fingerspitze ist. “
    „Und?“
    „Also, mir hat eine Nachbarin in Posen erzählt – eine aus Ostpreußen, mein Alter, würde ich sagen, der es einmal gut gegangen sein muss, die hatte noch Schmuck und Geld – viel mehr als ich – und steck te jeden Morgen ihre langen Haare hoch und bedeckte sie mit einem alten Seidentuch. Salo mea hieß sie, den Nachnamen habe ich vergessen.“
    „Und was ist mit dem Spreewald?“
    „ Ach ja. Kartoffe ln und Rübchen und Wurzeln gibt e s dort in Hülle und Fülle, hat diese Salomea erzählt. Jedes Jahr au fs Neue holen sie die Ernte ein fürs ganze Reich – und für den Führer und seine Offiziere in der Reichskanzlei. Kürbis, Rotkohl, Obst. Ein fruchtbares Gebiet . Guter Boden und viel Wasser – weißt ja, was das heißt, du bist vom Lande. Fontane hat darüber geschrieben. Ein Paradies muss e s sein.“
    Alma da chte an Kürbispfannkuchen m it braun geröst eten Zwiebeln in Butter.
    „Und Bäume gibt e s natürlich “, sagte Hildchen Glück. „Es ist ein Wald, sagt der Name schon. Das schadet nicht – weiß keiner, wie weit sie es mit ihren Flugzeugen noch treiben. Da sind wir besser aufgehoben als in der Stadt, wo einem der ganze Dreck auf den Kopf fallen kann und die Leutchen sich vor Angst in die Hosen pischern, wenn sie etwas flüchten sehen .“
    „Da braucht es aber ein paar mehr Blätter für “, sagte Minna. „Dass man sich verstecken kann im Wald.“
    „Na ja, na ja, zwei, drei Wochen noch, schon ist es zugewachsen, dann sind die Baumkronen dicht. Und von dort ist es nicht mehr weit bis nach Berlin. Sogar eine Bahnlinie ist hier…“ – sie klopfte mit dem Zeigefinger auf die Landkarte. „Von Cottbus quer durch den Spreewald nach Berlin, zum Ostbahnhof sicherlich. Aber das wird nichts taugen, Kinderchen, macht euch keine Hoffnung, dass ihr die große Stadt zu sehen be kommt. Die haben die Bomber sicher schon hochgehen lassen, irgendwas müssen sie anfliegen. Aber Rübenfelder? Nein , das kann ich mir nicht vorstellen, dass sie die Rübchen im Spreewald angreifen tun.“

 
     
    Golchow,  25. März 1945
     
    Mein lieber Heinrich,
     
    ich werde Dir dieses Stück Papier nicht schicken können. Ich wüsste nicht einmal, wie ich es adressieren sollte. Sie nehmen noch die grauen

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