Braeutigame
schrecklich. Dann zogen sie irgendwann ab, Anfang 1944, die Rumänen und die Deutschen, und die Russen kamen wieder. Lea tat so, als wäre sie Russin, und sie schaffte es, sich nach Konstantinopel durchzuschlagen. Von dort fuhr sie nach Israel (was damals noch nicht Israel war, sondern Britisch-Palästina). Sie ging in ein Kibbuz, eine Art großer Bauernhof, der allen gemeinsam gehört, so verstehe ich es. Am See Genezareth. Da traf sie ihren Mann Moische, und in den fünfziger Jahren zogen sie nach Amerika um. Zwei Söhne haben sie, beide fast erwachsen. Es g eht ihnen gut, ihr Mann hat eine Flaschenfabrik und ein kleines Geschäft mit koscheren Sachen , und Lea spielt noch immer Schach. Sie sprach kaum davon, aber Frau Stevens erzählte mir später, dass Lea eine Art Schach-Wunder ist und mit den klügsten Männern spielt und gewinnt. Sie hat mir einen älteren Zeitungsartikel über Lea geschickt, fast eine Seite lang, aber wir haben noch keine Übersetzung hier.
Sie heißt nun natürlich nicht mehr Dressner, sondern Druckman. Lea Druckman. Wir werden uns wiedersehen. Lea hat mich schon zu sich eingeladen, sie haben eine Wohnung in Greenwich Village, nicht weit vom Hudson-Fluss, aber sie wollte noch mit Moische sprechen. Er will mit keinen Deutschen zu tun haben. Wir werden sehen.
– Eben kam ein Umschlag von Mrs. Stevens, eine feine Karte und ein Scheck. Ich habe ihn schon zurückgeschickt. Es wäre so unpassend, wo ich doch für die Freude gesungen habe und meine liebe, liebe Lea wiedergefunden habe. Ich kann es noch immer nicht glauben.
30. August 1966, Shenandoah Hotel, Richmond (Virginia)
Nun haben wir uns auf den Weg gemacht und New York verlassen. Es waren zwei s. anstrengende Tage, furchtbar heiß noch immer & Minna unausstehlich & sie steckt damit Kali an. Ich weiß nicht, wie ich es ohne Rosina schaffen würde. Wir bestiegen den Zug in New York und fuhren nach Süden, in eine große Stadt nach der anderen: Philadelphia, Wilmington, Baltimore und schließlich Washington. Wir blieben dort für eine Nacht, und heute fuhren wir weit er. Es gab Probleme mit dem Zug, wir standen mehr als zwei Stunden neben einem Feld mit Sojabohnen , trocken wie Zunder. Als wir nach Richmond kamen, entschlossen wir uns, über Nacht zu bleiben. Wir hätten es nicht mehr nach Blacksburg geschafft.
Ich bin erschöpft, sitze unter einem Ventilator aus Holz & habe mir Essen auf mein Zimmer bestellt. Es sind Fladen aus Krebsfleisch, goldbraun gebraten. Nur Wein haben sie hier keinen. Sie trinken alle Bier und Coca-Cola, sehr süß , aber sonst eigentlich recht lecker .
1. September 1966, Blacksburg (Virginia)
Es wurd en zwei Nächte in Richmond. Minna bekam Schmerzen im Rücken, und wir ließen den Arzt kommen, aber es war nichts Ernstes, weder die Nieren noch die Bandscheiben. Am Abend war es besser , und sie stand auf.
Heute in aller F rühe brachte uns ein Wagen zu einer Art Markt, wo alle Überlandbusse abfahren & anhalten. Geräumige , silberne Busse, die kreuz und quer durchs Land fahren, bis nach Kalifornien, sagen sie. Wir nahmen einen Richtung Nashville, was ganz in Tennessee liegt. Die Fahrscheine waren günstig, ein paar Dollar für jeden, aber wir mussten lange mit Händen und Füßen reden, dass wir all unser Gepäck einladen durften. Den großen Koffer (mit meinen guten Kleidern) banden wir am Ende auf dem Dach fest. Es kostete extra, ein kleines V ermögen (mehr als Kalis Fahrkarte ).
Ungefähr sechs Stunden waren wir unterwegs. Eine schöne Landschaft, Hügel und Täler, alles grün, mit Bäumen, anderen Arten als bei uns.
In Blacksburg stiegen wir aus, und es war niema nd gekommen, um uns abzuholen. Wir hatten Georg ein Telegramm geschickt , aber er hatte die Nachricht nicht rechtzeitig erhalten. Sie lag auf dem Flurtischchen, als w ir schließlich mit dem Taxi bei ihm ankamen.
Es war trotzdem ein schönes Willkommen. Wir haben uns so lange nicht gesehen & wir aßen alle gemeinsam zu Abend. Georgs Frau Trudi ist viel jünger als er, mehr als zehn Jahre. Sie haben drei Söhne bekommen, der ält este ist Ernst (er ist 15), danach kommt Heinz (elf Jahre), der ist am korpulentesten und hat einen Kopf wie eine Kartoffelkiste. Und der kleinste, ein pfiffiger, ist Egbert, sechs oder sieben und niedlich. Ein Nesthäkchen. Sie sind a lle gesund, aber Georg ist hart mit ihnen. (Er erinnert mich an unseren Vater, so wie er spricht.) Er ist unzufrie den , weil sie von Pferden nichts verstehen &
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