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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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alten Knochen.
    Der Laden war leer, als Freier und Mischka unter der klingelnden Türglocke eintraten. Chaim stand am Tresen neben der Kasse und schaute aus der Odessaer Zeitung auf. Er nickte stumm. Freier sah ihn vorsichtig an. Es kam ihm vor, als wüsste er, was Sache war. Chaim ging schlurfend an einen Fensterschrank mit bedruckten Vorhängen auf der Innenseite und holte eine grüne Flasche mit einem Korken. Er stellte drei Gläser auf den Tresen, schenkte ein, sah Freier kurz in die Augen, wandte seinen Blick ab und wieder den Schnapsgläsern zu, die vor ihm standen. Die drei Männer leerten sie gleichzeitig in einem Zug. Als Freier seinen Geldbeutel aus der Hosentasche zog, winkte Chaim müde ab. Er stellte die Flasche weg, nickte, mit den Lippen schmatzend . Dann ging er zur Ladenkasse, setzte sich auf einen Hocker und schlug wiede r die Zeitung auf.
    Als Freier und Mischka die Tür öffneten, biss Chaim hinter ihnen geräuschvoll in eine Gurke .
    Sie hatten kein Wort gewechselt.
    Chaim ist ein guter Mann, dachte Freier.
     
    Er klemmte die Klingelscheiben mit einem Lederriemen ab und lenkte den Wagen lan gsam den Breiten Weg hinunter. Knapp z wei Werst trennten sie noch von der Kälber Drift. Er wollte nicht mehr, dass sie ihn kommen hörten , seine Heimkehr vorwegnahmen . Es gab nichts zu hören, nichts zu freuen – nicht, wenn die Frau nicht mehr war, wenn nichts mehr von dem galt, was noch vor vier Tagen gegolten hatte, als er sich auf den Weg in die Stadt gemacht hatte. Vor der Hofeinfahrt zum Breiten Weg hielt er die Pferde an und reichte Mischka die Zügel. Die Tiere schnaubten und legten ihre Ohren nach h inten. Sie wollten weiter , an den Wasser trog unter dem Flieder .
    „Bring du den Wagen in den Hof und versorg die Tiere“, sagte er zu Mischka. „Und wisch mal den Staub a b. Da ist überall Dreck .“
    Freier ließ sich vom Bock gleit en und ging i n langen, schnellen Schritten d urch den Hof. Er hörte Stimmen – eine klang wi e Hedwig, die musste hintendu rch zugange sein mit einem der Kinder, aber er sah sie nicht, ein Glück, so sah sie ihn nicht. Freier zog einen Schlüssel aus seinem Geldbeutel und schloss rasch, damit ihn niemand bemerkte und abfing, die Tür zu seinem Kontor auf, einer Kammer im Hofgebäude hinter den Popschakörben, die er mit seinem besten Schloss gesichert hatte. Im Kontor hatte er einen Sekretär für seine Post, die Papiere, Rechnungen, Dokumente. Er ließ vorsichtig die Tür hinter sich zu fallen und setzte sich auf den lackierten Holzstuhl vor dem Schreibtisch. Er rieb sich das Gesicht, spürte den feinen Staub auf seiner Haut, raufte sich mit beiden Händen die Haare und schloss die Augen. Er sollte noch ein Glas Schnaps trinken, dachte er, verwarf den Gedanken aber wieder – seine Frau würde… – nein, Blödsinn, Freier, sie würde nicht, sie konnte nun nicht mehr, überhaupt nie mehr. Aber ein schlechtes Gewissen hätte er doch gehabt; in Maßen, alles in Maßen, sagte sie immer, das war am besten. Er betrachtete die beiden Gewehre im Ständer neben dem Fenster zum Hof, die gute Mannlicher-Büchse und die alte, lange Jagdflinte seines Vaters. Für einen Moment dachte er, wie leicht es wäre; der Abzug, ein kurzes Ziehen des Fingers, es wäre schmerzlos, er könnte es hier und jetzt gleich tun, unbemerkt, in der Stille sei nes Kontors, das nach harzigen Holzscheiten roch… – für einen Moment. Es ging nicht, er hatte die Kinder, sechs Stück hatte er nun, herrje, und keine Frau mehr… Herr im Himmel auch, so plötzlich alles, es blieb einem nichts erspart.
    Er stand auf und sah durchs Fenster auf den Hof. Mischka hatte den Wagen vor gefahren und streichelte Georg den Kopf, der ihn am Bauch umarmt hielt. Freier musste lächeln. Wenigstens die zwei verstanden sich, d ie Pferdenarren. Leicht war es für die Kinder sicher nicht.
    Er hört e den Hund bellen, seine Rosie – da kam sie gelaufen, das gute Tier, und sprang und sprang und freute sich, dass Mischka wieder da war und machte die Pferde scheu mit ihren Hopsern… –
    Er musste stark sein. Der Erste war er nicht, dem das Weib verging. Wie oft hatte er den Spruch gehört – Weibersterben, kein Verderben, Pferdverrecken, das macht Schrecken… Mitgelacht hatte er, wenn die Männer ihre derben Scherze gemacht und sich vergnügt auf die Schenkel geklopft hatten. Was für ein Dummkopf er gewesen war. Er würde seinen besten Gaul eintauschen, um seine Marga zurückzubekommen. Die ganze Tabon würde er

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