Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall
kurz darauf mit schuldbewusster Miene um die Ecke schleicht?
Nein, mit der Polizei warte ich. Ich werde besser selbst aktiv. Wozu bin ich denn Privatdetektiv, verdammt! Den Jungen find ich doch!
Am besten gehe ich erneut in die Eingangshalle hinunter und quetsche den Concierge präzise aus. Auch wenn mir der Typ nicht liegt. Vielleicht kann er mir doch noch nützliche Hinweise geben. Ich habe nichts zu verlieren und momentan keine bessere Idee.
Sicherheitshalber wähle ich zunächst nochmals die Handynummer des Vermissten. Aber wie schon zuvor nimmt auch jetzt keiner ab. Also begebe ich mich nach unten.
»Entschuldigen Sie, wenn ich nochmals wegen meines Begleiters störe.«
Hinter der Theke serviles Getue.
»Sind Sie sicher, dass für mich keine Mitteilung hinterlegt wurde und niemand angerufen hat?«, erkundige ich mich.
»Selbstverständlich, Herr Feller. Ich habe nichts für Sie«, antwortet der Concierge.
Ich überlege. »Hm. Kennen Sie zufälligerweise den Jordana Park?«
Mit dieser Frage scheine ich den Guten zu irritieren.
»Ja, also. Doch. Auch schon gehört. Liegt drüben bei der Czarna Wie ś , wenn ich mich nicht täusche. Ist aber nichts los, dort. So weit mir bekannt ist.«
Ich will gar nicht näher wissen, was er in Parks zu finden hofft. Ich jedenfalls suche nur Stefan Lüthi! »Gut. Wenn Ihnen etwas in den Sinn kommt, das mich interessieren könnte, mein Begleiter auftaucht oder irgendeine Meldung für mich eingeht, informieren Sie mich umgehend, nicht wahr?«
»Selbstverständlich, Herr Feller.«
»Dann danke ich.« Ich drehe mich unentschlossen um und bin im Begriff ins Zimmer zurückzukehren. In diesem Augenblick ruft mich der Rezeptionist zurück.
»Ach ja, Herr Feller!«
Erwartungsvoll wende ich mich um.
»Heute Vormittag hat sich jemand nach einem Schweizer erkundigt.«
»Nach mir?«, frage ich.
»Ich weiß nicht genau. Einfach nach einem Herrn Schweizer.«
»Schade. Schweizer ist genauso ein Familienname wie Feller. Da war kaum ich gemeint.«
»Es war eine Dame«, sagt er mit anzüglichem Augenzwinkern. Oder leidet er unter einem nervösen Tick? »Ich erwarte keine Dame. Ich warte auf den Jungen«, erwidere ich ungehalten.
»Ich weiß. Sie offenbar auch. Einen Jungen mit Papa.«
Das macht mich doch stutzig. Kann es sein, dass ich für Stefans Vater gehalten werde? Ich hake nach: »Wie sah die Frau denn aus?«
»Klein, schlank, elegant, um die 50. Blau-weiße Bluse.«
»Und dunkelblauer Hosenanzug?«
»Tak!«, bestätigt er.
Passt diese Beschreibung nicht mit jener der ominösen Bibliotheksbesucherin überein? Wer ist diese geheimnisvolle Dame, die zuerst hinter der Sonate herschnüffelt und uns danach auf den Fersen folgt? Dass sie nicht einen Herrn Schweizer gesucht hat, sondern die beiden Schweizer , steht für mich jetzt außer Frage. Ob sie etwas mit Stefans Verschwinden zu tun hat? Ich muss es fast annehmen. Handelt es sich hier um seine Entführerin?
Andrerseits. Der Junge hätte sich bestimmt zur Wehr gesetzt. Eine zierliche Dame hätte gegen die jugendliche Kraft meines Schützlings kaum eine Chance gehabt. Dennoch könnte der Blutfleck an seiner Mütze auf einen Kampf hindeuten. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass die mutmaßliche Entführung von angeheuerten Schergen vollzogen wurde. Aber zu welchem Zweck? Mit welchem Interesse? Was wollen die von meinem Jungen? Womit könnte man mich erpressen? Mit Geld? Ich zweifle, dass es darum geht. Mit der Thuner-Sonate? Aussichtslos. Die befindet sich bei Bachmann in Sicherheit. Bloß weiß das hier keiner. Nehmen die Entführer etwa an, dass ich die Originale dabei habe?
Auf der anderen Seite mutet mich die ganze Geschichte etwas zu abenteuerlich an. Noch besteht die Möglichkeit, dass eine plausible Erklärung für Stefans Verschwinden vorliegt. Vielleicht werden wir künftig herzlich darüber lachen.
Ich entschließe mich, in den Park zurückzukehren, um nach Leuten Ausschau zu halten, die den Jungen beobachtet haben könnten. Tempo jetzt! Sonst ist keiner mehr dort und mein Unterfangen aussichtslos.
*
Ich habe frischen Mut gefasst.
Im Laufschritt verlasse ich das Hotel. Nach wenigen Metern wechsle ich die Straßenseite. In der Gertrudystraße zirkuliert momentan wenig Verkehr. Auf dem Gehsteig daneben flanieren entspannte Fußgänger.
Von links nähert sich ein dunkelgrauer Lada. Als ich die Straßenmitte erreiche, beschleunigt der Wagen. Unverhofft und ungebremst rast er auf mich zu.
Was soll
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