Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
klammerte sich an der Tischkante fest, glaubte, zu viel getrunken zu haben. »Das ist Frau Langer«, stammelte er, »die von den Fotos?«
»Das bin ich«, erklärte die Neuangekommene, »genau. Marion, meine Lebensgefährtin und ich«, sie deutete auf Aupperles bisherige Gesprächspartnerin, die ihn freundlich anlächelte, »wir sind seit zwei Jahren zusammen. Die Fotos stammen aus dem Jahr zuvor. Schmiedle, das elende Schwein, machte mich betrunken und hat mich verführt. Damals war ich noch bi, wenn Sie es wissen wollen, Herr Polizeirat. Dass er Bilder von uns gemacht hat, wusste ich nicht. Er muss erfahren haben, dass Marion und ich geheiratet haben. Da brachte er sie in Umlauf, weil er es nicht verschmerzt hat, dass ich ihm damals den Laufpass gegeben hatte. Das war ihm noch nicht passiert, dem tollen Lover. Ein schwerer Verstoß gegen seine Ehre. Sie glauben gar nicht, wie wir uns gefreut haben, als wir hörten, was mit ihm passiert ist. Und wenn Sie wissen wollen, wo wir am Dienstagmorgen waren, Marion hat die Hoteltickets bereitgelegt: Seit über einer Woche in Hamburg. Marion kam am Donnerstag zurück, weil sie am Freitag schon wieder woanders hin musste, ich erst jetzt, wie Sie sehen. Sie müssen leider weiter nach dem Täter suchen, wir hoffen aber, Schmiedle zuliebe, dass Sie ihn möglichst lange nicht finden!«
31. Kapitel
Neundorf hatte noch in der Nacht zum Montag bei der Staatsanwaltschaft die Verhaftung des auf dem Phantombild erkannten Mannes und die Durchsuchung seines Hauses angefordert. Alle Zweifel, Annika Jung könnte sich in der Panik des erlittenen Schocks getäuscht, eine falsche Person oder zumindest Partien des Gesichts unrealistisch wahrgenommen haben, waren noch auf der Rückfahrt von Spraitbach beseitigt worden, als Weisshaar ihr die Nachricht von einer der ersten Reaktionen auf die Aufrufe der Medien zur Mithilfe bei der Aufklärung des Verbrechens mitgeteilt hatte.
Sabine Gauger, eine Frau aus Tübingen, hatte am Samstagmittag kurz nach Elf auf dem Parkplatz unterhalb des Schlosses Lichtenstein eine in eine dunkle Jacke gehüllte Gestalt in großer Eile auf einen schwarzen Daimler zuspurten und das Auto dann schrill kreischend mit durchdrehenden Reifen davonrasen sehen. Instinktiv einen unerfreulichen Hintergrund für diesen übereilten Start vermutend, hatte Frau Gauger sich das Kennzeichen des Wagens notiert, ihrer mit den Fahrrädern bereits im nahen Wald verschwundenen Familie wegen dann aber nichts von dem Verbrechen und den darauf eingeleiteten polizeilichen Maßnahmen mitbekommen, bis ihr jetzt am Sonntagabend nach ihrer Rückkehr von der zweitägigen Exkursion der Aufruf zur Mithilfe zu Ohren gekommen war.
»Wir haben bereits überprüft, auf wen dieses Fahrzeug zugelassen ist«, hatte Weisshaar erklärt.
»Auf Matthias Binninger in Ludwigsburg-Hoheneck«, war Neundorf ihm ins Wort gefallen.
»Du weißt Bescheid?«, hatte der Kollege überrascht gefragt.
»Obwohl ich die Zusammenhänge noch nicht verstehe, ja.« Neundorf hatte sich anschließend mit dem Staatsanwalt vom Dienst in Verbindung gesetzt, dabei erfreut wahrgenommen, dass es sich um Steffen Bockisch, einen abgeklärten, erfahrenen Beamten handelte. Mit ihm gemeinsam hatte sie schon viele Ermittlungen durchgeführt, dabei auch mehrmals brenzlige oder unerfreuliche Situationen durchgestanden. Sie schätzte den Mann ob seiner in jahrelanger Praxis erworbenen beruflichen Kompetenz und der eigenständigen, abgeklärten Urteilsfähigkeit, die alle seine Untersuchungen prägte, war sich über das Privileg bewusst, sich in jeder Phase ihres Tuns voll auf seine kritische Begleitung verlassen zu können – eine Tatsache, die der Zusammenarbeit mit manchen seiner Kollegen leider abging.
Sie hatte Bockisch erklärt, woher sie den auf dem Phantombild dargestellten Mann kannte, hatte bemerkt, dass es ihm dieselben Schwierigkeiten bereitete, die Zusammenhänge mit ihrer Ermittlung in Sachen Tankstellenüberfälle zu erkennen wie ihr selbst.
»Verstehe ich das richtig«, hatte er sich zum Abschluss ihrer Ausführungen noch einmal versichert, »die Ehefrau dieses Binninger kennen wir, weil sie zufällig kurz vor dem Überfall auf die Tankstelle in Ludwigsburg am letzten Dienstagmorgen dort einkaufen war?«
»Eine Salbe und eine Creme zur Behandlung ihrer Wunden, nachdem ihr Mann sie in jener Nacht wieder einmal verprügelt hatte. Das hat sie mir bei meinem zweiten Besuch bei ihr gestern Morgen gestanden. Als ich am
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