Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
Wohngemeinschaft in Tübingen, deren Namensschild Petra Langer/Marion Pelz sie als hier ansässig auswies, »ich komme von der Polizei. Wir haben miteinander telefoniert.«
Sie hatte ihn ins gemeinsame Wohnzimmer gebeten, das zur Hälfte aus einer rustikalen Küche und zur anderen Hälfte aus einer Sitzecke samt großem Tisch bestand, ihn dann gefragt, ob sie ihm etwas anbieten dürfe. Des Sonntags wegen ein Stück ihres heute Nachmittag selbst gebackenen Kuchens etwa.
Aupperle nahm auf der Längsseite der Sitzecke Platz, akzeptierte das zuvorkommende Angebot ohne Zögern. Wenn er ihr auf Anhieb so sympathisch war, dass sie ihm ein Stück ihres selbst gebackenen Kuchens anbot, musste er auf diese Geste freundlich reagieren, um sich alle Optionen für weitere, auch private Begegnungen mit der Frau offenzuhalten. Mei liabs Rotteburg am Neckar, vielleicht ließ sich da etwas in die Wege leiten und seine Bereitschaft, auch den Sonntagabend beruflichen Untersuchungen zu opfern, wurde auf ganz andere Art und Weise belohnt, als er sich das hatte träumen lassen.
Für ihn war es keine Frage gewesen, ihr am Handy geäußertes Angebot anzunehmen, ihn am Sonntag gegen 19 Uhr aufzusuchen, weil sie erst irgendwann am Sonntagmittag von einer dreitägigen Exkursion zurückkommen würde. Selbstverständlich war Kriminalkommissar Mario Aupperle bereit, seine privaten Interessen auch am Sonntag hintanzustellen, wenn das der beruflichen Wahrheitsfindung diente! Er hatte sich noch am Donnerstagabend Melanie Schunters Alibi durch einen Besuch bei Conny Meitle in Untertürkheim bestätigen lassen. Die, wie er auf den ersten Blick bemerkt hatte, attraktive junge Frau arbeitete bei der Weinmanufaktur des Stuttgarter Vororts. Wir sind die bestbewertete Genossenschaft Deutschlands, hatte sie ihm voller Stolz erklärt, die Nummer eins unter den Wein-Guides, der Gault Millau, hat uns auf drei Trauben hochgestuft. Das haben in Deutschland außer uns nur noch Weinbauern an der Ahr geschafft.
Sie hatte ihn an ihrem Arbeitsplatz, dem großzügig, fast mondän eingerichteten Empfangs- und Verkaufsraum der Weinmanufaktur Untertürkheim empfangen. Weine der besten Lagen wurden hier angeboten und in der kurzen Zeit seiner Anwesenheit zahlreich verkauft. Jawohl, hatte die Frau erklärt, sie war von Montag Mittag bis Dienstagmittag mit Melanie Schunter zusammen in Pliezhausen, um es genauer zu sagen und sie hatten die gesamte Zeit, wenn man sich schon so selten sah, miteinander verbracht.
Auch Aupperles Treffen mit weiteren Frauen aus Schmiedles Album hatte sie nicht weiter gebracht. Zwar war er inzwischen sowohl bei Lydia Pfisterer in Nufringen als auch bei Stefanie Kliss in Großbettlingen vorstellig geworden, genauso bei Kitty Link in Leonberg, deren Nacktaufnahme in Schmiedles Verzeichnis er auf Geheiß des Staatsanwalts Söderhofer gemeinsam mit diesem während einer ausführlichen Sitzung detailliert analysiert und einem intensiven Brainstorming sowie einem abschließenden Briefing unterzogen hatte, doch waren alle drei Frauen durch – wie sollte es angesichts dieser körperlichen Vorzüge auch anders sein – männliche Zeugen für die in Frage kommende Zeit aus der Schusslinie befreit.
Aupperles unermüdliche Ermittlungstätigkeit war von Söderhofer mit besonderem Lob geadelt worden, schien es dem Staatsanwalt doch völlig unwahrscheinlich, Schmiedles Mörder im von Braig und Riedinger favorisierten beruflichen Umfeld lokalisieren zu können.
»Derart qualifizierte Persönlichkeiten erweisen sich der Summe meiner langjährigen Erfahrung nach als so fundamental von klassischer Bildung geprägt, dass sie jede Assoziation, sie könnten solcher Infamie unterliegen, ad absurdum führen«, hatte Söderhofer die Ermittler belehrt, auf Braigs Einwurf: »Die machen sich die Hände nicht selbst schmutzig, sondern lassen das von ihren Killern erledigen«, erst gar nicht eingehend.
»Eifersüchtige Frauen – nolens volens kann ich es nicht anders formulieren – sind zu allem fähig«, war seit dem Fund von Schmiedles Album zum Standardsatz des Staatsanwalts geworden, was Braig jedes Mal äußerste Zurückhaltung abverlangte, ein »vor allem so oane« für sich zu behalten.
»Der Kuchen schmeckt?«
Aupperle hatte große Probleme, die süß-klebrige Masse zu schlucken, spülte mit zwei Gläsern Cola, die er sich als Getränk erbeten hatte, nach. An der Stelle des seltsamen Kuchens hätte er lieber die dazu gehörige Frau vernascht, die er nach
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