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Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Titel: Braig & Neundorf 12: Schwabenehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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»die steht den ganzen Tag am Fenster und gafft auf die Straße und in die gegenüber liegenden Wohnungen, sofern die Vorhänge so wie beim Herrn Schmiedle zur Seite gezogen sind. Die wüsste garantiert einiges zu berichten, mehr als manchem lieb wäre. Wer mit wem, wann und wie oft, Sie verstehen?«
    Stefanie Riedinger hatte verstanden, in der Tat, war sich zudem der oft überraschend reichhaltigen und scharfen Beobachtungskunst solcher Nachbarschaftsspione bewusst, in diesem Fall aber trotzdem enttäuscht worden. »Wo finde ich die Frau Griesinger?«, hatte sie gefragt. »Gleich in einem der Häuser auf der anderen Straßenseite?«
    »Nein, damit können wir nicht dienen, die Zeiten sind leider – oder für manchen von uns, zum Glück – vorbei. Die Witwe Griesinger finden Sie seit gut zwei Wochen nämlich jetzt in Grafenberg auf dem Friedhof. Aus dem Ort stammt sie und dort wollte sie auf ihrem letzten Weg, wie ich gehört habe, unbedingt auch wieder hin.«
    So hatte auch die Aufmerksamste von Schmiedles Nachbarinnen der jungen Kommissarin nichts über das ganz normale Leben des Ermordeten mitteilen können und sie war voll und ganz auf die in dessen Wohnung vorgefundenen Papiere und sein Notebook angewiesen, um ihrer Visite in Metzingen doch noch verwertbare Konsequenzen zu entlocken.
    Wie die gesamte Einrichtung der Wohnung erwies sich auch Schmiedles wohl meist benutztes Arbeitsgerät von erlesener Qualität. Auf dem neuesten Stand der Technik – Riedinger schätzte das Alter des Notebooks auf maximal drei, vier Monate – mit großer Festplatte, ultraschnellem Prozessor, sämtlichen Schikanen. Schmiedle hatte mindestens zwei, eher an die drei Tausender dafür hingeblättert, war sie sich sicher, es neben unzähligen beruflichen Daten auch mit einer Unmenge an Spielen und Filmen gefüttert. Er hatte das Gerät wohl auf vielen Reisen dabei gehabt, es zum Zeitvertreib oder auch zum Training seiner Fremdsprachenkenntnisse benutzt, wie sie aufgrund mehrerer englischsprachiger Filme vermutete. Zweieinhalb Stunden hatte sie damit verbracht, sich einen Überblick über das gespeicherte Material zu verschaffen und es zugleich auf potenzielle Zusammenhänge mit seinem unfreiwilligen Tod zu überprüfen – ohne am Ende auch nur über einen einzigen verwertbaren Befund zu verfügen.
    Nicht viel besser war es ihr nach einer kurzen Kaffeepause am Nachmittag mit der Durchsicht der in der Wohnung gefundenen Papiere ergangen. Persönliche Unterlagen wie Einkommensbescheide, Versicherungspolicen, Arztrechnungen, Rentenbeitragsbelege in drei verschiedenen Ordnern, dazu unzählige Kladden, seine wissenschaftliche Arbeit, auch sein neues Beschäftigungsmodell betreffend. Von Braig über Schmiedles geplanten Auftritt vor einem Großteil der deutschen, teilweise gar mitteleuropäischen Wirtschaftselite in der Liederhalle detailliert in Kenntnis gesetzt, war sie diese Papiere mit erhöhter Aufmerksamkeit angegangen, den größten Teil der in betriebswirtschaftlichem Fachchinesisch ausgeführten Texte nur in Ansätzen begreifend. So revolutionär das neue Beschäftigungs- und Entlohnungsmodell des Mannes auch sein mochte, diesen Darstellungen war nicht einmal ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, was sie mit seiner Ermordung zu tun haben sollten.
    Riedinger spürte ihre aufkommende Erschöpfung, sah, dass es kurz nach 16 Uhr war, griff nach der letzten Kladde, blätterte sie auf. Ein einzelnes, mit Computer beschriebenes Blatt, der handschriftlich hinzugefügten Unterschrift nach ein Brief, darunter ein Kuvert mit Fotos, wie sie auf den ersten Blick zu erkennen glaubte. Sie nahm sich das Schreiben vor, konzentrierte sich auf den Text. Dr. Ulrich Enssle, Arbeitgeberverband, war als Absender angegeben.
    Dr. Enssle, überlegte sie. Der Name kam ihr bekannt vor. Sie holte sich den vorläufigen Ermittlungsbericht auf den Bildschirm, fand den Namen ohne langes Suchen. Die Leiche Schmiedles wurde von Dr. Ulrich Enssle, Teilnehmer des Kongresses als Vertreter des Arbeitgeberverbandes, gefunden.
    Es folgten die Aussagen des Mannes, die Braig notiert hatte, dann eine kursiv ausgeführte Anmerkung des Kommissars. Wieso sucht Enssle diese abgelegene Toilette im obersten Stockwerk des Kongresszentrums auf – im Gegensatz zum Staatsanwalt scheint mir das recht dubios.
    Riedinger nahm sich das Schreiben des Mannes vor, das auf den 25. Februar, also genau eine Woche vor dem Tod Schmiedles datiert war, überflog den Text, spürte plötzlich

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