Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
erzählt, ihr oftmals verblüffend menschenähnliches Verhalten erwähnt.
»Was ist mit der Einladung? Fällt sie aus?«, hatte Braig nach einer Weile angeregten Plauderns verwirrt gefragt.
»Ach so, die.« Dr. Genkingers Antwort war mit spitzbübisch grinsender Miene erfolgt. »Wieso soll sie ausfallen? Im Gegenteil! Je später wir kommen, desto interessanter die Gespräche.« Er hatte auf seine Uhr geblickt, Braig freundlich auf die Schulter geklopft. »Kurz vor Zehn. Das ist noch zu früh. Vor Elf macht es keinen Sinn, das sage ich Ihnen aus Erfahrung. So ab Elf …« Er hatte mit beiden Augen gezwinkert, auf eine Schnapsflasche gedeutet, die auf dem Tisch stand. »Der Alkohol löst die Zungen. So ab Elf etwa, da wird es interessant. Mit steigendem Pegel dieses Zauberwässerchens gewähren auch die feineren Damen und Herren oft überraschende Einblicke in ihren wahren Kern. Das kann interessant sein! Sie glauben mir nicht?« Er hatte Braigs skeptischen Blick erhascht, ihn um Geduld gebeten. »Warten Sie bitte ab. Morgen oder in ein paar Tagen unterhalten wir uns dann wieder. Über so manchen illustren Gast, den Sie bisher nur in der Zeitung gesehen haben. Wenn Sie den mit vom Alkohol gelöster Zunge bei der Pool-Einweihungs-Party kennenlernen, sehen Sie ihn in Zukunft mit ganz anderen Augen, wetten?«
Er hatte ihnen von einer seiner unzähligen Tier-Expeditionen während seiner Zeit in Südafrika berichtet, damit spielend die Zeit überbrückt, bis er endlich kurz vor 23 Uhr bereit war, das Haus zu verlassen.
»Und was schleppen wir in diesem Paket mit uns?«, hatte Braig gefragt, nachdem er sich erboten hatte, den üppig verpackten Karton unter den Arm zu nehmen.
»Unser gemeinsames Geschenk.«
»Unser gemeinsames?«
»Ja, natürlich, die Bopfingers sind steinreich. Es gibt nichts, was die sich nicht leisten können. Aber dennoch: Eine Kleinigkeit erwarten die trotzdem. Und mehr ist es nicht. Irgendein Schrott aus China. Lassen Sie sich überraschen. Sie werden es sehen.«
»Oh, persönlich mit Mord und solchen Dingen haben Sie zu tun«, Isis Bopfinger war nach wie vor sichtlich beeindruckt, »da müssen Sie uns und unseren Gästen aber von Ihren Ermittlungen berichten. Mit Dieben und Mördern hat man es ja nicht alle Tage zu tun. Zumindest nicht in unseren Kreisen.« Ihr Flötenspiel endete in schrillem Lachen. Sie bückte sich, streichelte den Pudel, der aufgeregt an den Beinen der Neuankömmlinge schnupperte. »Aber jetzt kommen Sie doch erst mal rein und bedienen Sie sich an unserem Büfett.« Sie sahen das Winken Dr. Genkingers, folgten ihm durch die mit unzähligen frischen Blumensträußen dekorierte Saalähnliche Diele. Hier hätte unsere gesamte Wohnung Platz, überlegte Braig. Der Boden war mit weißen Fliesen ausgelegt, ein überdimensionierter Kleiderständer und ein wuchtiger Bauernschrank das einzige Mobiliar.
Sie folgten ihrer Gastgeberin durch eine offene Tür in einen riesigen, von unzähligen festlich gekleideten und eifrig miteinander palavernden Menschen gefüllten Raum, sahen sich einem trotz der späten Stunde immer noch reichhaltig ausgestatteten Angebot an Fisch-, Fleisch-, Käse- und Obsthäppchen gegenüber, die fast der gesamten Wand entlang auf einer nicht enden wollenden Gruppe von Tischen aufgereiht waren, flankiert von einem meterlangen Sammelsurium aller möglichen Getränke. Zwei junge, in ultrakurze Röckchen und den Hauch weißer Schürzen gekleidete Frauen wuselten umher, boten mit freundlicher Miene Cocktails, Weine, Champagner feil.
Braig ließ sich einen mit Campari angereicherten Orangensaft reichen, hörte die Stimme Isis Bopfingers neben sich. Die Frau war dabei, das Geschenk des Tierarztes unter der tätigen Mithilfe des Pudels, der nach den Schmuckbändern schnappte und an ihnen zerrte, auszupacken. »Also, letztes Jahr bei der Einweihung unseres Wintergartens waren Sie auch so spät dran, lieber Doktor, wissen Sie das noch?« Sie schälte den Karton aus seiner äußeren Geschenkpapierhülle, erhob schelmisch den Zeigefinger.
»Ich glaube, das haben Sie falsch in Erinnerung«, versuchte Dr. Genkinger gegen den allgemeinen Lärmpegel anzukämpfen, wurde aber von ihrer Gastgeberin unterbrochen.
»Doch, doch, doch, das weiß ich noch genau!«, beharrte sie. »Sie mussten an dem Abend noch in die Wilhelma, einen Affen operieren. Einen Stent legen wie bei uns Menschen, erinnern Sie sich noch?«
»Ja, natürlich erinnere ich mich noch. Das musste ich jetzt
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