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Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Titel: Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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beherrscht war?«
    »Ja, und weil diese die Stadt zu einem Hort des Katholizismus mitten im evangelischen Württemberg ausbauten. Die Religion, die Herrschaft und die Architektur sind aber nicht die einzigen gravierenden Unterschiede zwischen Rottenburg und seinen Nachbarstädten«, erklärte Bumiller. »Wissen Sie, was fast dreihundert Jahre lang zu ständigen Irritationen und Missverständnissen zwischen den Menschen hier und ihren Nachbarn führte?«
    Braig wusste nicht, worauf der Mann hinauswollte, hob abwehrend seine Hände.
    »Die Zeit wurde verschieden berechnet, man benutzte unterschiedliche Kalender. Die Katholiken rechneten alle vier Jahre einen Schalttag ein, die Evangelischen ließen ihn aus. Das summierte sich mit der Zeit. 1807, als Napoleon den Habsburgern ihren schwäbischen Besitz aus der Hand nahm und ihn an Bayern und Württemberg verteilte, differierten die Kalender bereits um vierzehn Tage. Schrieb man in Tübingen schon den 10. April und feierte Ostern, mussten die Leute wenige Kilometer entfernt in Rottenburg noch vierzehn Tage auf das Fest warten, weil bei ihnen erst der 27. März auf dem Papier stand. Erst Napoleon führte verbindlich den gregorianischen Kalender ein. Und wissen Sie, warum sich die Evangelischen so lange geweigert hatten, die neue Zeitrechnung zu übernehmen?«
    »Nein, keine Ahnung.«
    »Weil der neue Kalender vom Papst in Rom verordnet worden war. Vom Teufel persönlich also, wie die Evangelischen schon in den Anfangsjahren ihrer jungen Konfession schmerzlich hatten erfahren müssen. Zu Tausenden hatte er diejenigen verfolgen und hinrichten lassen, die es gewagt hatten, sich ihm zu entziehen. Musste man sich also nicht dem verweigern, was vom Leibhaftigen persönlich angeordnet wurde? So kam es, dass in den evangelischen Ländern der Schalttag ausgespart wurde und die Zeitrechnung deshalb immer weiter auseinanderklaffte.«
    Braig war den Worten des Mannes mit Interesse gefolgt, kämpfte dennoch mit sich, ob er Bumiller nicht ins Wort fallen und auf sein eigentliches Anliegen ansprechen sollte.
    Als könne er Gedanken lesen, ließ sein Begleiter unvermittelt von seinen Ausführungen ab. »Aber Sie sind ja nicht hierher gekommen, um mit mir Smalltalk zu halten. Was wollen Sie von mir?«, fragte er.
    »Das ist richtig, ja. Ich muss mit Ihnen sprechen. Es geht um Ihre Vergangenheit.«
    »Meine Vergangenheit?« Bumillers Miene verfinsterte sich. »Darüber gibt es nichts zu erzählen.«
    Braig schaute sich um, deutete ans südwestliche Ende des Platzes, wo er sich zur Königstraße verengte. »Könnten wir nicht ein paar Meter laufen? Ich meine, hier mitten zwischen den vielen Leuten …«
    Sein Begleiter verstand, was er meinte, nickte. »Gehen wir zum Neckar. Dort ist es ruhiger.«
    Sie folgten der schmalen Einkaufsstraße, hatten die Flusspromenade nach wenigen Minuten erreicht. Die Uferpartie war erst kurz zuvor frisch hergerichtet worden, lief sanft ins leise plätschernde Wasser des Flusses aus.
    »Also, was wollen Sie von mir?«, fragte der Mann.
    Der Kommissar merkte, dass er leicht hinkte, fragte nach der Ursache.
    »Fußgelenksentzündung, links«, antwortete Bumiller, »eine alte Sache. Lassen Sie sich nicht stören, ich halte durch. Bewegung tut gut, wenn wir es nicht übertreiben. Sonst hocke ich doch nur am Schreibtisch.«
    »Am Schreibtisch? Ich dachte, Sie verkaufen Versicherungsverträge?«
    »Das ist richtig, ja. Aber vieles läuft übers Internet. Vom Schreibtisch aus.«
    »Ursprünglich hatten Sie aber einen anderen Beruf.«
    Der Mann sah zu ihm auf, musterte seine Miene. »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Auf Ihre leitende Funktion in der Verwaltung von Seniorenheimen.«
    Bumiller erwiderte Braigs kritischen Blick, nickte dann mit dem Kopf. »Darauf war ich spezialisiert, ja. Betriebswirtschaft und Management von Seniorenheimen.«
    »In leitender Position.«
    »Mit jahrzehntelanger Erfahrung, ja.«
    Sie wichen zwei älteren Frauen aus, die beide auf einen Rollator gestützt unterwegs waren, blieben stehen.
    »Bis Allmengers Intrige Sie aus der Bahn warf.« Braig musterte seinen Begleiter, sah, wie er bei der Erwähnung des Namens seinen Kopf blitzartig in den Nacken warf und zu ihm hochblickte. Seine Augen verengten sich binnen Sekunden zu schmalen Schlitzen, Unruhe erfasste seinen ganzen Körper. »Was wollen Sie mit dem?«, zischte er.
    Er hatte es nicht überwunden, litt unübersehbar an der Sache. Eine alte Verletzung, die weiterhin schmerzte.
    »Würden

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