Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
ich bin gerade dabei, sie fertigzustellen. Ich weiß nicht, ob Sie das nachvollziehen können oder nicht, aber dieses Unternehmen bedeutet mir zu viel, als dass ich bereit wäre, von heute auf morgen auf alles zu verzichten. Wir haben alles gemeinsam aufgebaut. Meine Eltern, mein Bruder und ich. Die Firma gerade so aus der Hand zu geben, dazu bin ich nicht bereit.«
Braig wunderte sich über die theatralisch anmutenden Ausführungen seines Gegenübers. Fitterling schien wieder an Selbstvertrauen gewonnen und einen Teil seiner Nervosität überwunden zu haben. Ob seine Worte allerdings ehrlich gemeint oder nicht eher dazu gedacht waren, bei seinem Zuhörer Eindruck zu schinden, ihm ein bestimmtes Bild, nämlich das des verantwortungsvollen, der familiären Tradition verpflichteten Firmenerben zu vermitteln, wagte er nicht zu beurteilen.
Was Braigs Zweifel verstärkte, war die Körperhaltung des Mannes: Fitterling hing immer noch mit eingezogenen Schultern und deutlich nach vorne gebeugtem Oberkörper in seinem Stuhl; seine Augen huschten nach wie vor ziellos im Raum umher. Der Kommissar verfolgte die fahrigen Bemühungen seiner Hände, sein Einstecktuch zurechtzuzupfen, sah, wie der Mann sich nach unten streckte und über seine blank polierten, hellbraunen Schuhe wischte. Nein, er konnte seine von Anfang an vorhandenen Zweifel an der Aufrichtigkeit seines Gesprächspartners nicht länger unterdrücken. Wollte er sich über die wahren Hintergründe der Auseinandersetzungen um die Zukunft der Firma informieren – und dazu sah er sich verpflichtet dann musste er seine Erkundungen an anderer Stelle fortsetzen. Vielleicht bei Frau Sälzle, sobald er sie unter vier Augen zu sprechen bekam.
Er versuchte, sich über sein weiteres Vorgehen klar zu werden, brachte die Angelegenheit vor, deretwegen er ursprünglich auf die Firma aufmerksam geworden war. »Sie sind für den Verkauf Ihrer Produkte zuständig, haben Sie erzählt. Bedeutet das, dass Sie Ihre wichtigsten Kunden persönlich kennen?«
Fitterling schien die Frage nicht zu verstehen. »Wieso sollte ich die persönlich kennen?«
»Na ja«, Braig präzisierte sein Anliegen, »Leuten, die größere Mengen Ihrer Produkte kaufen, kommt für die Existenz Ihrer Firma doch besondere Bedeutung zu. Ich meine, je mehr Maultaschen ein Kunde bei Ihnen erwirbt, desto wichtiger ist er für Sie. Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass Sie sich um solche Käufer besonders bemühen, dass Sie sie hofieren und vielleicht versuchen, Ihre Identität zu ermitteln, um sie ab und an mit speziellen Angeboten bekannt zu machen.«
»Ah, ich verstehe.« Sein Gegenüber schien endlich zu begreifen. »Ja, natürlich kümmern wir uns um Großabnehmer. Das ist meine persönliche Aufgabe. Über zwei Drittel unserer Produktion verkaufen wir auf diesem Weg. Aber – was hat das mit Christian zu tun?«
»Ich weiß nicht, ob es einen Zusammenhang gibt«, bekannte der Kommissar. »Aber wir sind bei den Ermittlungen zu einem anderen Verbrechen auf Ihre Firma gestoßen.«
»Ein anderes Verbrechen?« Fitterling starrte ihm zum ersten Mal im Verlauf ihrer Unterhaltung mehrere Sekunden lang mitten ins Gesicht. Die fahrigen Bewegungen seiner Augen, das nervöse Zittern seiner Hände hatten ein Ende gefunden. Der Mann war vollkommen von Überraschung gezeichnet.
»Vielleicht haben Sie in der Zeitung davon gelesen oder in den Nachrichten davon gehört.« Braig sah das erstaunte Kopfnicken des Mannes, berichtete in groben Zügen von dem Geschehen in Esslingen.
»Und das sollen unsere, unsere Maultaschen sein?«, stotterte Fitterling ungläubig.
»Meine Kollegen sind dabei, das detailliert zu überprüfen. Aber eigentlich haben wir keine Zweifel mehr.« Er griff in seine Tasche, zog eine kleine Kunststoffbox vor, öffnete sie, schob sie über den Tisch.
Sein Gesprächspartner starrte gebannt ins Innere, musterte die Maultaschen, die Braig ihm präsentierte.
»Und?«, fragte der Kommissar. »Kommen sie Ihnen bekannt vor?«
Fitterling nahm eines der kleinen Exemplare aus der Box, drehte es auf die Seite, tastete es ab. »Aber wieso, ich verstehe nicht …«
»Sind das Ihre Maultaschen?«, insistierte Braig.
»Ja, das sind unsere. Ja, auf jeden Fall.«
»Keine Zweifel?«
»Zweifel?« Der Mann legte die Maultasche wieder zurück, schüttelte den Kopf. »Nein, warum sollte ich daran zweifeln? Das sind unsere, da bin ich mir absolut sicher. Wo haben Sie die her? Von …«
»Aus der Wanne«, erklärte
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