Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
Kerstin Svedholm wies zu der Kaffeemaschine neben der Eingangstür.
Braig und Neundorf zeigten sich erfreut. »Gerne.«
Er musterte den Bildschirm, an dem die junge Frau offensichtlich gerade gearbeitet hatte, sah eine Tabelle mit unzähligen Zahlenreihen vor sich. Worauf sie sich bezogen, konnte er nicht erkennen, einzig der Name in der Überschrift weckte seine Aufmerksamkeit. Fitterlings Liebestäschle.
Liebestäschle? Er wusste nicht, ob er die Buchstaben richtig entzifferte oder ob es sich um einen Schreibfehler handelte, hörte das Blubbern der Kaffeemaschine. Die dunkle Flüssigkeit sprudelte zischend in zwei kleine Tassen, erfüllte den Raum mit einem verlockend-würzigen Aroma.
Die junge Frau griff nach zwei kleinen Tellern, stellte die beiden Tassen darauf ab, reichte sie ihren Besuchern. »Milch oder Zucker?« Sie legte mehrere Miniportionen auf den Tisch, nahm vor ihrem Monitor Platz.
Braig bedankte sich für den Kaffee, träufelte Milch in seine Tasse. »Sie arbeiten nebenbei für die Firma Fitterling. Habe ich das am Telefon richtig verstanden?« Er hatte sich nach Neundorfs Anruf nur kurz mit der jungen Frau unterhalten, dabei von ihrem Studium in Reutlingen erfahren und sie um einen kurzfristigen Gesprächstermin ersucht. Kerstin Svedholm hatte sich sofort dazu bereit erklärt.
»Das haben Sie richtig verstanden, ja. Einer der großen Vorteile des Betriebswirtschaftsstudiums hier an der ESB ist die Kombination von, Moment, wie sagt man das auf Deutsch? Die Kombination von Theorie und Praxis, glaube ich, Sie verstehen?«
Braig nickte mit dem Kopf, hatte keinerlei Schwierigkeiten, der jungen Frau zu folgen. Sie sprach ein fast einwandfreies Hochdeutsch, ließ nur ab und an ein paar im typisch skandinavischen Idiom formulierte Worte hören. Statt »Deutsch« sagte sie »Deuts«, statt »Kombination« hauchte sie »Kombinasion«. Das macht sie nur noch sympathischer, gestand er sich insgeheim ein. Fehlte nur noch, dass sie vom »Sie« zum »Du« wechselte, weil sie diese Unterscheidung von ihrer Heimat her nicht kannte. Er musterte ihre freundlich lächelnde Miene, sah, wie sie auf den Papierstapel neben dem Monitor deutete.
»Wir haben gemeinsam ein neues Konzept für die Firma entwickelt. Damit sie nicht verkaufen müssen.«
Konsept, wiederholte er im Stillen ihre Aussprache, Konsept. Er musste selbst lachen, hatte Mühe, sich auf den sachlichen Inhalt ihrer Aussage zu konzentrieren.
»Sie sprechen von der Firma Fitterling?«, fragte Neundorf.
»Fitterlings Maultaschen, ja.«
»Verstehe ich das richtig, Sie als Studentin entwickeln ein Konzept, das der Firma Fitterling im realen Betrieb helfen soll?«
Braig sah die kritische Miene seiner Kollegin, spürte ihre Skepsis.
»Wir sind zu zweit. Zwei Studentinnen, ja.«
Su Sweit, wiederholte er still, swei Studentinnen.
»Wie heißt Ihre Kollegin?«, fragte Neundorf.
»Maria Menendez«, antwortete die junge Frau. »Sie kommt aus Spanien. Heute Morgen hat sie einen Termin beim Arzt. Sonst wäre sie hier.«
»Und die Firma, das heißt, Herr Fitterling ist mit Ihrer Mitarbeit einverstanden.«
Kerstin Svedholm bemerkte offenbar den kritischen Ton ihrer Gesprächspartnerin, lachte laut. »Ja, natürlich ist Michael, also Herr Fitterling, einverstanden. Er hat bei der ESB um Unterstützung nachgesucht. Das Konzept haben wir gemeinsam erstellt. Wir arbeiten seit fast fünf Monaten gemeinsam daran.«
»Fünf Monate lang?« Neundorf zeigte sich überrascht. »Das ist eine größere Sache, ja?«
Die junge Frau lachte erneut. »Das kannst du so sagen, ja. Das ist der große Vorteil von der ESB hier. Schon im Studium, ich habe jetzt fünf Semester, kommst du direkt in die Praxis. Mitten ins Leben, wie unsere Professoren immer sagen. Und am Ende wird unsere Examensarbeit daraus.« Anscheinend ohne es selbst zu bemerken, war sie vom Sie ins Du verfallen.
»Und wie sieht dieses Konzept aus?«, mischte sich Braig ins Gespräch. »Soweit Sie darüber sprechen können, falls es sich nicht um Betriebsgeheimnisse handelt, meine ich.«
»Betriebsgeheimnis?« Kerstin Svedholm winkte mit ihrer rechten Hand ab. »Oh nein, das ist kein Geheimnis, wirklich nicht. Im Gegenteil.« Sie schüttelte ihren Kopf. »Fitterlings haben starke Umsatzverluste, fast dreißig Prozent die letzten Jahre, das ist bekannt. Deshalb mussten sie etwas tun. Das ist der Punkt.«
»Sie können die Firma verkaufen«, warf Braig ein. »Ein großer Konzern, ich glaube in Italien, hat
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