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BRAINFUCK

BRAINFUCK

Titel: BRAINFUCK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Berger
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schlief. Leise schälte er sich aus der Decke, griff sich den Schlüsselbund vom Nachttisch und verließ den Raum.

    *

    Der nächste Morgen begann, wie der Abend geendet hatte. Mit Schweigen. Beide aßen andächtig und in sich gekehrt, bis nur noch ein kleines Stück vom Brot übrig war. Anne wischte den Tisch ab und schüttelte die Krümel in den Mülleimer.
    »Du warst bei ihr.« Es klang nicht wie eine Frage.
    »Du wolltest es so, verdammt!«, donnerte Pascal und hieb die Faust auf den Tisch, was er augenblicklich bereute. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er sich die Handkante. Seine gesamte Enttäuschung, sein Ekel vor sich selbst und seine Wut über die Unfähigkeit zu widerstehen, hatten sich mit diesem Schlag eine Bahn gebrochen.
    »Es sollte kein Vorwurf sein«, beeilte sich Anne zu versichern. »Ich finde es völlig in Ordnung, was du getan hast. Hat es dich denn wenigstens … befriedigt?«
    »Es war … seltsam. Aber ja, aus rein sexueller Sicht hat es mich befriedigt.« Er strich sich mit der Hand durchs Haar. »Ich sollte nach ihr sehen.« Er füllte ein Glas mit Wasser, nahm drei Karotten aus dem Vorratsschrank und verschwand in Richtung Kellertreppe.

    *

    Wenige Augenblicke später kehrte er mit betretenem Gesicht zurück.
    »Sie ist tot«, sagte er leise.
    Anne starrte in an. Unglauben stand in ihrem Gesicht.
    »Tot?«
    »Anscheinend konnte sie die Fesseln durchscheuern und hat sich mit einer scharfen Kante des Heizkessels die Pulsadern geöffnet. Alles ist voller Blut.« Pascal ließ sich auf den Stuhl fallen und betrachtete seine gefalteten Hände. Anne sprang auf und rannte die Treppe hinunter. Wie Pascal vor ihr, hinterließ sie auf dem Rückweg blutige Schuhabdrücke.
    »So eine dumme Kuh!«, wetterte sie.
    Er sah sie mit gesenktem Kopf an. Gewissensbisse plagten ihn. »Sie tut mir leid, ich hätte nicht …«
    »Ach Quatsch!«, unterbrach sie ihn. »Wegen so etwas bringt man sich doch nicht gleich um!«
    »Wenn man jemanden hat, der für einen da ist, einen auffängt, vielleicht nicht«, widersprach er ihr. Sie diskutierten ausgiebig, konnten aber keinen gemeinsamen Nenner finden.
    Pascal fühlte sich schuldig. Anne fühlte sich schuldig, weil er sich schuldig fühlte. Er beschloss, seine Emotionen nicht zu zeigen, um sie nicht zu belasten. Sie beschloss, ihm Zeit zu lassen. Zeit konnte helfen, Wunden zu heilen – oder sie zumindest weniger schmerzhaft erscheinen lassen. Sie kamen überein, das Thema vorerst ruhen zu lassen. Die ausführlichste Diskussion konnte eines nicht: die Fremde wieder lebendig machen. Es war, wie es war. Sie war tot.

    *

    Pascal erhob sich. «Ich werde sie begraben«, sagte er mit rauer Stimme.
    »Warte!«
    Anne war aufgesprungen und hielt ihn am Arm fest. »Sie ist … aus Fleisch.«
    »Bist du jetzt endgültig wahnsinnig geworden?« Er schüttelte heftig den Kopf. Das durfte nicht wahr sein. Hatten die letzten Stunden ihrer kranken Psyche den Rest gegeben?
    »Ich bin bei klarem Verstand!«, bekräftigte sie. »Sie ist tot, verdammt. Was sollte uns hindern, uns mit Fleisch zu versorgen? Es ist Fleisch wie jedes andere.«
    »Ich werde das nicht ausdiskutieren!«
    Er wurde laut. Ungläubig starrte er Anne an, die mit hochrotem Gesicht und leuchtenden Augen vor ihm stand.
    »Hör zu«, ließ sie nicht locker, »was wäre, wenn ich sterben und mir vorher ausdrücklich wünschen würde, dass du mein Fleisch isst. Was würdest du tun?«
    Er runzelte die Stirn. Das war typisch für Anne, so einen Vergleich aufzustellen. Er wusste nicht, was er tun würde. Die Oberhand in diesem Gespräch – sofern er sie jemals gehabt hatte – ging ihm nach und nach verloren. Fleisch, ein schönes Steak, ein leckerer Braten, ein paar gegrillte Rippchen, natürlich wünschte er sich das. Ein saftiges Reh in der Falle oder ein junger Hase, das wäre ein Traum. Aber ein Mensch? Nein!
    »Ich … würde es vermutlich tun«, antwortete er.
    »Na siehst du, ich wusste, dass du es wie ich sehen würdest.« Sie grinste schief.
    »Es wie du sehen? Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob es um eine fremde Leiche in unserem Keller oder um dich und deinen Wunsch geht!«
    Pascal gratulierte sich zu seinem Argument. Daran kam sie nicht vorbei. Er lenkte die Gedanken zurück zu seinem Vorhaben und ließ geeignete Begräbnisorte vor seinem inneren Auge vorbeiziehen. Das schiefe Grinsen wich nicht von Annes Lippen. Das irritierte ihn. Sie kramte in der Gesäßtasche ihrer Jeans, zog ein in Plastik

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