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Bran

Bran

Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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gestikulierten wie Qecha-Fliegen im verhängnisvollen Leim und sich in Untote verwandelten, die mit ungeschlachten, breiigen Bewegungen durch die Luft ruderten. Die Stille war teigig. Alle großen Magistralen waren verlassen. Hier und da ein träges Wedeln in der Schattenhöhle unter einem Baldachin, wo ein Verkäufer sich in seine Ladengruft zurückgezogen hatte wie eine Muräne in ihr Loch. Die Tätigkeit des Atmens war das Einzige, wessen man fähig war. Alles andere ging über die Kräfte des gewöhnlichen Menschen.
    Er hatte eine Stunde Freigang erwirkt. Warum auch nicht? Er war ja kein Gefangener! Dass der kleine Spaziergang um die Plaza in die Zeit der senkrechten Mittagssonne gefallen war, hatte der Zufall oder das langsame Mahlen der Bürokratie so gefügt. Es war ihm gleichgültig. Die Hitze war atemraubend. Selbst das kühlende serafidische Gewand vermochte dagegen nichts mehr auszurichten. Aber der Verkehr schwieg, kaum Passanten störten ihn beim Nachdenken, und die Pracht der großen Repräsentationsbauten hatte im harten Licht etwas Gewaltiges. Die Paläste und Ministerien, die sich jenseits der Plaza zu einem einschüchternden Amphitheater aufbauten, waren Quader und Trapeze siedender Luft, Gebirge aus reinem Glast.
    Man hatte die Signatur seines Tattoos erfasst. Also konnte man ihn überall und jederzeit orten. Er hätte es natürlich darauf ankommen lassen können: die Implantate deaktivieren und untertauchen. Wie weit er wohl mit der bizarren Untergrundbahn gekommen wäre? Und ob es ihm einen Vorteil verschafft hätte, wenn er Geld in ein Rauch- oder Klangopfer investiert hätte? Schließlich hätte er die HOOKED KITE rufen oder sich zu ihr durchschlagen können. War ein Bannstrahl auf das Schiff gelegt? Eine Verfolgungsjagd durch das dreidimensionale Labyrinth Zhid Citys wäre bestimmt kurzweilig.
    Aber er näherte sich ganz von selbst seinem Ziel. Warum es ohne Not wieder verraten? Jede spektakuläre Aktion würde ihn zurückwerfen oder seine Pläne ganz vereiteln. Doch wenn er nun Geduld wahrte, abwartete, sich ruhig verhielt, musste er in Kürze vor des Rätsels Lösung stehen. Im Nachhinein würde es wie ein raffinierter Plan aussehen. Brighton würde ihm zu dem Trick der elegant eingefädelten »Festnahme« gratulieren!
    »Sie haben Glück.«
    Straner hatte sie nicht kommen sehen. Sie musste von rückwärts, aus dem vergleichsweise kühlen Halbdunkel der Arkaden an ihn herangetreten sein.
    »Der Minister wird sich später Zeit nehmen und einige seiner kostbaren Minuten für Sie opfern.«
    Um von der Sonne nicht totgeschlagen zu werden wie eine Qecha-Fliege von der Faust eines entnervten Beamten, hatte er sich in den Schatten der südlichen Gebäudereihe gedrückt. Am Mezzanin befestigte Sonnensegel sorgten dort für einen handtuchschmalen Streifen, in dem die Luft halbwegs erträglich war. Trotzdem war sein selbstklimatisierendes Gewand schon wieder schweißdurchtränkt. Er wusste nicht, wie viele Garnituren er in den letzten Tagen ruiniert hatte. War es überhaupt der zweite oder der dritte Tag, seit er bei der Wasserpfeife aufgeflogen war?
    Cejla stand korrekt gekleidet neben ihm. Kein Tröpfchen Schweiß verunstaltete ihre makellose Haut. Nicht eine Strähne hatte sich aus ihrer peinlich sauberen Frisur gelöst.
    Straner hatte nur genickt. Früher hätte er sich den genauen Zeitpunkt des Gespräches angeben lassen, um ihn in der Terminfunktion seines Tattoos zu notieren. Aber das spielte keine Rolle mehr. Cejla würde ihn rechtzeitig abholen.
    »Es ist sehr heiß«, sagte sie. Aus ihrem Mund klang es wie eine Indiskretion.
    »Sie haben recht.«
    Es kostete Überwindung, sich aus dem Schatten abzustoßen und in die pralle Sonne hinauszugehen. Die Magistrale, die hier einen Halbkreis beschrieb, war einhundert Schritte breit. Straner kam es vor wie eine Durchquerung der offenen Wüste irgendwo dort draußen, jenseits der letzten ächzenden Vororte. Dann betraten sie den Palastkomplex über einen Seiteneingang. Sowie sie die kombinierte Sicherheits- und Klimaschleuse passiert hatten, schlug die gekachelte Kühle wie ein erfrischender Wasserfall über ihnen zusammen.
    »Was für eine Glut!« Er keuchte aufgesetzt und lächelte ihr zu, die zielstrebig auf einen der Elevatoren zuhielt. Nacheinander bestiegen sie die Gondel. Während der Fahrt musterte sie ihn, regungslos wie ein Roboter.
    »Was interessiert Sie so an der Prinzessin?«
    »Bitte! Wollen wir uns das nicht für das Gespräch mit dem

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