Brandfährte (German Edition)
nestelte an dem selbstgestrickten rosa Jäckchen der Puppe. «Nienburg war ihr zu klein, zu langweilig. Jedenfalls hat sie das gesagt.»
Steenhoff vermutete, dass sie auch der Enge ihres Elternhauses entkommen wollte.
«Mein Kollege, Herr Rüttger, sagte mir, Ihr Mann sei tot?»
«Ja, er ist in dem Jahr gestorben, als Maike plante wegzugehen.» Nach einer Pause fügte sie bitter hinzu: «Natürlich hat das meine Tochter nicht daran gehindert, zwei Monate später den Umzugswagen zu bestellen. Wie es ihrer Mutter geht, war ja immer zweitrangig.»
Steenhoff tastete sich vorsichtig vor. «Sie hatten manchmal ein gespanntes Verhältnis?»
Karin Ahlers schluchzte plötzlich laut auf.
«Wenn wir telefonierten, gab es meistens Streit. Vor allem in letzter Zeit.»
Gespannt ließ Steenhoff die Mutter weiterreden.
«Sie ging kaum noch ans Telefon. Zweimal hat sie sogar ihre Nummer gewechselt, ohne mir vorher Bescheid zu sagen. Angeblich hatte sie einen hartnäckigen Verehrer, der sie mit seinen Anrufen nervte.»
Wütend schüttelte Karin Ahlers den Kopf. «Aber das brauchte sie mir nicht zu erzählen. Wahrscheinlich wollte sie nur Ruhe vor der eigenen Mutter haben.»
«Frau Ahlers, das ist jetzt wichtig. Was hat Ihnen Maike über diesen Verehrer gesagt? Bitte versuchen Sie, sich genau zu erinnern.»
Die Frau sah ihn erstaunt an.
«Nichts. Sie hat mir ja sowieso kaum etwas von sich erzählt.»
«Hat er ihr aufgelauert, ihr SMS geschickt oder kleine Geschenke gemacht?»
Die Frau zuckte mit den Schultern. Plötzlich hellte sich ihr Gesicht eine Spur auf. «Doch, jetzt erinnere ich mich wieder. Sie hat mal gesagt, dass er eigentlich richtig gut aussehe und schon etwas älter sei.»
«Was heißt älter? Und was war es, das Ihre Tochter an ihm leiden mochte?»
Wieder musste Karin Ahlers passen.
«Ich habe das gar nicht für bare Münze genommen. Ich glaubte, Maike wollte nur aufschneiden und mir beweisen, dass sie eine ganz normale junge Frau war.»
«Hatten Sie denn Zweifel daran?»
«Sie hat nie viel aus sich gemacht. Ich meine äußerlich. Warum sollte sich ein gut aussehender, reifer Mann in sie verlieben und so um sie werben?», erwiderte Karin Ahlers.
«Immerhin hatte sie vor einem Jahr auch eine längere Beziehung zu einem Alexander Lösekann.»
Steenhoff bemerkte irritiert, wie er immer mehr in die Rolle des Verteidigers der Toten hineinrutschte.
Erschöpft ließ sich Karin Ahlers in den Sessel zurückfallen. «Davon hat sie mir nie etwas gesagt.»
Eine Weile sagte keiner etwas. Schließlich stand Karin Ahlers wortlos auf und ging in Richtung Küche. «Ich brauche jetzt einen Kaffee. Möchten Sie auch einen?»
Zehn Minuten später kam sie mit zwei Bechern Kaffee und zwei Gläsern Weinbrand auf einem Tablett zurück. Das letzte Telefonat zwischen Mutter und Tochter fand zwei Wochen vor dem Tod der jungen Frau statt. «Sie fühlte sich krank und zerschlagen und hatte sich mal wieder krankgemeldet. Ich habe mit ihr geschimpft und ihr gesagt, dass sie sich zusammenreißen müsse, weil sie sonst irgendwann ihre Stelle in der Praxis verlieren würde.»
Steenhoff verspürte zunehmend Mitleid mit Maike Ahlers. Eine Mutter, die ewig an ihr herumnörgelte, misstrauische Kolleginnen, ein junger Mann, der sie für eine attraktivere Frau einfach stehenließ, und ein «Verehrer», der sie so ängstigte, dass sie sich von ihrem bescheidenen Gehalt ihre Wohnungstür aufwendig sichern ließ. Maike Ahlers musste ein einsamer Mensch gewesen sein.
«Wann haben Sie sie zuletzt in Bremen besucht?»
Karin Ahlers musste nicht lange nachdenken. «Das war am Geburtstag ihrer Tante, am 22 . Oktober. An dem Tag war ich zum Frühstück bei meiner Schwester eingeladen und bin am Nachmittag unangemeldet bei meiner Tochter vorbeigefahren. Ich musste lange klingeln, bevor sie endlich öffnete.»
Karin Ahlers starrte auf den Tisch vor sich. Sie hielt ihren Becher mit beiden Händen umklammert, ohne daraus zu trinken. Steenhoff wartete geduldig, bis die Frau wieder den Faden aufnahm. «Maike schien sich gar nicht zu freuen, dass ich so unerwartet vor der Tür stand. Ich hatte sogar den Eindruck, dass sie mich gar nicht reinlassen wollte.» Karin Ahlers lachte trocken auf. «Als ich ihr Wohnzimmer gesehen habe, wusste ich auch, warum.»
Die Frau schaute Steenhoff direkt an und machte eine hilflose Geste mit der rechten Hand. «Ich habe sie so nicht erzogen. Ich meine, Sie sehen ja, wie es bei mir hier aussieht …» Sie
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