Brandfährte (German Edition)
fassungslos an ihr vorbei in das Haus. Wo bei Helene und Horst Geldmann ein gepflegter Flur, eine übersichtlich geordnete Garderobe und ein Schirmständer waren, standen bei seiner Nachbarin Farbtöpfe, Pinselreiniger, Tapetenrollen und eine ausgehängte, grob abgeschliffene Tür.
«Oh, Sie renovieren?», brachte er statt seiner Beschwerde nur heraus.
«Ja, hier ist jahrzehntelang nichts geschehen. Das muss mal grundüberholt werden. Aber leider habe ich immer so wenig Zeit neben meiner Arbeit. Wenn es fertig ist, lade ich Sie und Ihre Frau gerne mal auf eine Tasse Kaffee ein.»
«Und der Garten?»
«Den nehme ich richtig in Angriff, sobald ich hier fertig bin.» Sie stutzte. «Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass ich aus dem Vorgarten eine kleine Baustelle gemacht habe?»
«Es ist in der Tat kein schöner Anblick», sagte Geldmann säuerlich.
Aber Martina Benke schien den Unterton überhört zu haben. «Da haben Sie recht. Ich kriege manchmal auch schon zu viel, wenn ich von der Schule zurückkomme. Es ist immer dasselbe. Ich fange voller Schwung an, dann kommt etwas dazwischen, und schließlich gewöhne ich mich an den Anblick und lebe im Dauerprovisorium.»
Sie lachte.
«Nächste Woche fahre ich erst einmal in Urlaub, und nach meiner Rückkehr will ich mich bemühen, zunächst mal im Haus fertig zu werden.»
Aufgewühlt hatte sich Geldmann wieder verabschiedet. Da inzwischen die gesamte Nachbarschaft über den «verhunzten Garten» redete, war es nicht schwer, an Frank Steenhoffs Adresse zu kommen. Jemand wusste, dass Elses «Stiefsohn» bei der Bremer Kriminalpolizei arbeitete und in einem kleinen Dorf im Moor hinter der Landesgrenze lebte. Vielleicht konnte er mit seiner Tante oder besser noch mit der Mieterin der Tante ein ernstes Wort reden.
Zwei Tage später rief Helene Geldmann bei Steenhoffs an. Sie erreichte Ira und klagte ihr eine geschlagene Stunde ihr Leid. Als Ira ihr erzählte, dass Else wenige Tage zuvor gestorben war, unterbrach sie ihren Redefluss nur für ein hölzernes «Mein Beileid» und zeterte weiter über die «unmögliche neue Nachbarin».
«Ich fürchte, du musst mal mit der Mieterin sprechen, sonst beginnt der nächste jahrelange Nachbarschaftsstreit», sagte Ira. «Wie ich Else kenne, bist du der einzige Erbe, und damit musst du dich auch um Haus und Mieterin kümmern.»
Steenhoff verzog den Mund. «Und um diese furchtbaren Geldmanns.»
13
«Polizei rätselt über Mordmotiv. Hatte Brandopfer einen heimlichen Geliebten?»
Wütend knallte Steenhoff die Zeitung auf die Durchreiche des Kiosks. Jeden Morgen kaufte er sich auf der Fahrt ins Präsidium an dem Verkaufsstand direkt an der belebten Hauptstraße einen
Weser Kurier
und die
Bildzeitung
.
Erschrocken schaute die Verkäuferin aus ihrem geöffneten Fensterchen.
«Haben die Reporter Sie wieder geärgert, Herr Kommissar?», erkundigte sie sich mitfühlend.
Steenhoff gehörte seit Jahren zu ihren Stammkunden, und die alte Frau wusste inzwischen genau, wann er an einem kniffeligen Fall saß und wann nicht. «Es geht um diese arme verbrannte Frau aus Findorff, nicht wahr?»
Statt einer Antwort nickte Steenhoff nur und überflog den Artikel von Andrea Voss.
Wie er es befürchtet hatte, enthielt der Artikel nicht nur Fakten, sondern auch Interpretationen und Mutmaßungen. Presserechtlich war Andrea Voss die Abgrenzung sicherlich gelungen, doch der flüchtige Leser konnte leicht die Interpretationen der Redakteurin mit den Angaben der Polizei verwechseln. Vielleicht hätte er ihr doch etwas Futter geben sollen. Andrea Voss hatte ihm vor Jahren einmal erzählt, was für ein Druck auf den Redakteuren in den Redaktionen lastete, wenn sie bei spektakulären Fällen nichts brachten oder keine Informationen bekamen.
«Wenn ihr bei der Mordkommission Geheimniskrämerei betreibt, ist das der beste Weg, Journalisten so richtig auf Trab zu bringen. Sobald seitens der Behörden geblockt wird, wittern viele eine spannende Geschichte und fangen an zu buddeln.»
Im Präsidium las Steenhoff den Artikel ein zweites Mal. Immerhin hatte Andrea Voss die Fragen der Polizei noch einmal wiederholt und im Text extra fett drucken lassen. Neu war, dass sie in ihrem Artikel eine Verkäuferin aus einer Bäckerei zitierte, die Maike Ahlers als nette, aber etwas sprunghafte, nervöse junge Frau beschrieb. Kurz vor ihrem Tod soll Maike Ahlers, ohne etwas gekauft zu haben, aus dem Bäckereigeschäft gestürmt sein. Steenhoff nahm sich vor, die
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