Brandfährte (German Edition)
verfolgt wurden.
Am Ende der Besprechung waren alle überzeugt, dass ihr Täter nicht dabei war. Dennoch mussten sie einigen Hinweisen nachgehen, um die Männer sicher ausschließen zu können. Müde kehrte Steenhoff am Abend in sein Büro zurück und wollte sich noch ein paar Notizen machen. In den Ritzen der Tastatur lagen Brötchenkrümel. Er hob die Tastatur an, um sie kopfüber von den Überbleibseln manch hastiger Büromahlzeiten der vergangenen Tage zu befreien. Dabei fiel sein Blick auf einen Zettel auf seinem Tisch.
Er stieß einen leisen Fluch aus. Er hatte vergessen, Ira am Mittag anzurufen. Und nicht nur das: Er hatte auch versäumt, ihr zu sagen, dass er heute später kommen würde. Er wählte seine Nummer zu Hause, aber dort sprang nur der von ihm selbst besprochene Anrufbeantworter an. Er entschloss sich, eine Nachricht für seine Frau zu hinterlassen. «Hallo Ira, es ist jetzt kurz vor 20 Uhr. Ich fahre jetzt los und freue mich auf dich. Ich bringe eine gute Flasche Wein für uns mit.» Er legte auf und sah in das verwunderte Gesicht von Petersen.
«Wo bekommst du denn jetzt noch einen guten Wein her?»
«Tewes hat immer ein paar Flaschen in seinem Schrank stehen», antwortete Steenhoff. «Er hat mir schon mal angeboten, eine mit nach Hause zu nehmen.»
Er fügte anerkennend hinzu: «Der ist eben ein alter Hase – auch was die strapazierten Beziehungen von Mordermittlern angeht.»
Ein paar Minuten später hörte Petersen, wie Steenhoff seinen Wagen startete und Richtung Pforte fuhr. Sie schaute auf ihr Handy, das neben ihrem Computer lag. Eigentlich hatte Vanessa zugesagt, sie am frühen Abend aus Frankfurt anzurufen, wo ihr Bruder lebte. Aber vielleicht waren sie ja gerade zusammen essen? Sie zwang sich, ihren Bericht ein zweites Mal zu lesen. Dann speicherte sie ihren Text ab und schaltete ihren Computer aus. Als sie ihr Mountainbike auf dem Hof des Präsidiums aufschloss, brannte nur noch im Lagezentrum und im Kommissariat für Sexualdelikte Licht.
‹Wenn Franks Methode auch in anderen Ehen funktioniert, dann müssten wir eigentlich über einen eigenen Weinkeller im Präsidium verfügen›, dachte Petersen und fuhr im fünften Gang zügig in Richtung Ostertor. Tatsächlich waren viele ihrer Kollegen aus dem Fachkommissariat geschieden oder alleinstehend. ‹Der beste Wein hilft nicht, wenn die Liebe vorbei ist›, sinnierte Petersen. Einer plötzlichen Eingebung folgend, bremste sie ihr Rad vor einem Kiosk unweit ihrer Wohnung ab und kaufte sich eine Flasche Bier. Heute würde sie es sich vor dem Fernseher gemütlich machen – ohne an ihren Täter zu denken und ohne hinter Vanessa herzutelefonieren.
17
Er legte die ordentlich ausgeschnittenen Zeitungsartikel auf seinen Küchentisch und sortierte sie chronologisch. Er starrte auf die Überschriften und die beunruhigenden Unterzeilen. Dann überlegte er es sich anders und ordnete die Berichte nach den unterschiedlichen Zeitungen, in denen sie erschienen waren. Aber seine Anspannung blieb.
Dabei hatte er sich nach dem Feuer so ruhig wie lange nicht mehr gefühlt. Es gab niemanden mehr, auf den er warten und um den er kämpfen musste. Keine Demütigungen und Abweisungen, die er Tag für Tag einstecken musste. Tagsüber konnte er verdrängen, dass Maikes Tod ihm jede Hoffnung genommen hatte. Nachts traf ihn diese Erkenntnis oft mit voller Wucht. Schweißgebadet wachte er dann auf, und er fühlte sich leer, ohne Ziel und ohne Richtung.
Maike war in eine andere Welt hinübergewechselt. Ebenso wie er hatte sie an ein Weiterleben nach dem Tod geglaubt. Das hatte sie ihm anvertraut. Damals, als sie noch sprachen, wenn er sie scheinbar zufällig im Theater oder im Kino traf und sie gemeinsam staunten, wie oft sich ihre Wege kreuzten. Aber Maike hatte diesen Gleichklang nicht als Zeichen für den Beginn einer einzigartigen Beziehung gesehen, sondern sich von Mal zu Mal mehr zurückgezogen.
Immer wieder spielte er ihre Begegnungen innerlich durch. An welcher Stelle hätte er bestimmender, an welcher sanfter vorgehen sollen? Was hatte er falsch gemacht, dass Maike die tiefe Verbundenheit zwischen ihnen nicht gespürt hatte? Dass sie Angst hatte vor ihrer Liebe? Wieder kam diese Mischung aus Wut und Verzweiflung in ihm hoch.
Er riss sich von den Zeitungsausschnitten los und sah aus dem Küchenfenster.
Drüben, in der anderen Welt, würde ihre Liebe eine neue Chance haben. Er müsste nur hinüberwechseln. Das letzte Opfer bringen, für
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