Brandfährte (German Edition)
komme.»
Die Frau legte auf, ohne dem Anrufer weiter Gehör zu schenken. Sie war klein und gedrungen. Alles an ihr wirkte rund. Nur die Augen standen in einem merkwürdigen Gegensatz zu ihrer mütterlichen Ausstrahlung.
«Das Einzige, was mich erschrecken würde, wäre, wenn ich nicht in einer halben Stunde Feierabend machen könnte», erwiderte sie trocken.
«Ich ermittele in einem Mordfall», sagte Steenhoff und zog seinen Dienstausweis hervor. Die Archivarin sah nur flüchtig darauf.
Der Ausweis schien sie wenig zu beeindrucken.
«Ab neun Uhr morgen früh können Sie den ganzen Tag in unserem Archiv stöbern. Meine Kollegen werden Sie sicherlich gern unterstützen», sagte sie müde zu ihrem späten Besucher.
So kam er nicht weiter. Fieberhaft überlegte Steenhoff, wie er die Frau bewegen könnte, mit ihm die Unterlagen der vergangenen Jahre durchzugehen. Sein Blick fiel auf ihre rechte Hand. Sie trug keinen Ring.
«Ich wäre jetzt auch lieber zu Hause und würde mit jemand Nettem einen Wein trinken. Aber der Täter läuft noch frei herum, und wir fürchten, dass er sich bald das nächste Opfer unter den alleinstehenden Frauen in Bremen suchen wird.»
Eine plumpe Notlüge. Eine von vielen, auf die er in seiner Dienstzeit zurückgegriffen hatte.
Die Archivarin zuckte für den Bruchteil einer Sekunde zusammen. Dann saß sie wieder kerzengerade in ihrem Stuhl und betrachtete ihn kühl. Plötzlich stand sie auf und ging zum Schreibtisch, auf dem ein Computer stand.
«Ich glaube zwar nicht, dass sich hier in unseren Daten ein Mörder versteckt, aber wenn ich Sie jetzt bitten würde zu gehen, könnte ich sowieso nicht abschalten.»
Sie schaute Steenhoff von der Seite an. «Also: Ich gebe Ihnen eine Stunde. Aber danach mache ich definitiv Feierabend.»
Steenhoff nickte dankbar.
Sie fuhr ihren Computer hoch und fragte: «Und unter welchem Stichwort soll ich suchen?»
Er folgte seiner Intuition: «Suchen Sie bitte unter Heizkissen und Brand.»
Die Archivarin hob überrascht die rechte Augenbraue, tat aber wie ihr geheißen. Innerhalb weniger Sekunden hatte der Computer 20 Fundstellen entdeckt. Die Frau druckte die Artikel aus und legte sie vor Steenhoff auf den Tisch. Nach einer halben Stunde wusste er, dass nichts dabei war. Auch nicht unter Heizkissen und Feuer oder Heizkissen und Brandleiche.
Er seufzte.
Als er aufschaute, begegneten sich ihre Blicke. «Wenn Sie mir sagen, wonach Sie genau suchen, könnte ich Ihnen besser helfen», bot die Archivarin an.
Steenhoff umriss mit wenigen Worten seine Idee. In dem Moment, in dem er seine Gedanken aussprach, kamen sie ihm lächerlich und abwegig vor.
Doch die Archivarin motivierten sie.
«Vielleicht», schlug sie vor, «sollten Sie mal in unsere alten Handakten schauen. Der Verlag hat erst in den 90 er Jahren das digitale Archiv eingerichtet.»
Bevor Steenhoff etwas erwidern konnte, legte sie ihm zwei dicke Stapel ausgeschnittener Polizeimeldungen und Artikel auf den Tisch. Ungefragt öffnete sie einen Ordner und vertiefte sich in die Artikel. Es war 23 Uhr, als Steenhoff endlich den letzten Artikel überflogen hatte. Aber sie hatten vergeblich gesucht. Bedauernd schaute er zur Uhr. «Danke, dass Sie so lange geblieben sind.» Er versuchte ein Lächeln. Er fühlte sich leer und ausgebrannt.
Die Frau sah ihn freundlich an und versuchte, ihn mit einem Scherz aufzumuntern. «Schon gut. Vielleicht machen Sie ja auch mal eine Extraschicht, wenn mein Lebensgefährte vom Zigarettenholen nicht zurückkommt.»
Müde winkte Steenhoff dem Pförtner zu und fuhr vom Parkplatz hinunter auf die kleine Seitenstraße. Nach wenigen Metern bog er in die Hauptstraße ab. Er bemerkte nicht, dass ihm ein dunkler Volvo folgte.
Als er wenig später leise den Schlüssel in seiner Haustür umdrehte, wurde ihm sofort geöffnet. Katrin ließ ihn, ohne ein Wort zu sagen, herein. Wütend drehte sie sich im Wohnzimmer um. «Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr. Ira schläft. Die Ärztin hat ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Sie wollte unbedingt auf dich warten, aber vor einer Stunde ist sie dann doch eingeschlafen.»
Steenhoff berichtete Katrin von seiner vergeblichen Suche im Archiv der Zeitung. Seine Schilderung schien Iras Freundin milder zu stimmen. Dennoch wirkte sie verärgert, dass er seine Frau so lange allein gelassen hatte.
«Und was willst du jetzt machen?», erkundigte sie sich schließlich.
Er zuckte mit den Schultern. «Noch einmal ganz von vorn anfangen.
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