Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
Haare samt den Wurzeln herausgerissen, geschrien oder sonst etwas Verrücktes getan, das mich daran gehindert hätte, mit den Fäusten auf meine Tante loszugehen. Ehe ich dazu kam, eine gewaltlose Antwort zu formulieren, ging die Tür zur nördlichen Erdgeschoßwohnung auf, und der Bankmensch kam herausgeschossen.
»Ach, Sie sind’s«, sagte er in einem äußerst unangenehmen Ton. »Das hätte ich mir denken können. Schon gut, dieses Mal rufe ich die Bullen. Eben habe ich gesehen, wie Ihr Zuhälter in einer silbernen Corvette weggefahren ist. Was sind denn das für Typen – Ihre Drogenkunden?«
»Was tun Sie denn den ganzen lieben langen Tag bei der Arbeit?« fuhr ich ihn an. »Spionieren Sie den weiblichen Angestellten nach, um rauszukriegen, wer die Kaffeepause um fünf Minuten überzieht? Sie müssen ungeheuer beliebt sein, wenn Sie nichts anderes zu tun haben, als fremden Leuten über die Schulter zu schauen und sich in ihre Angelegenheiten zu mischen.«
»Es ist meine Angelegenheit, wenn Sie Ihr dreckiges Geschäft rund um die Uhr –«
»Nein, nein, Schätzchen«, mischte sich meine Tante ein. »Sie ist Detektivin. Eine berufstätige Frau. Wir sind hergekommen, um ihren Rat einzuholen, beruflich. Runzeln Sie nicht so die Stirn – heutzutage ist es für einen Mann genauso wichtig, auf sein Aussehen zu achten, wie für eine Frau, und Sie werden schreckliche Falten unter den Augen bekommen, wenn Sie weiter so böse schauen. Und Sie haben wunderschöne Augen.«
»Elena, könntest du bitte den Mund halten? Wir können oben über Cerises Problem reden. Bring sie hinauf, okay?« Solange Elena die Vermittlerrolle spielte, konnte ich mich mit dem Kerl nicht einigen.
Elena protestierte, verletzt; sie wolle mir nur helfen, besser mit meinen Nachbarn auszukommen, aber schließlich war sie bereit, nach oben zu gehen. Ich schaute den Bankmenschen an, überlegte mir, ob ich etwas Versöhnliches sagen sollte – es ist keine besonders gute Idee, sich mit einem Nachbarn in einem Gebäude mit sechs Wohnungen auf eine Fehde einzulassen.
»Geben Sie den Bullen doch ja die richtigen Buchstaben auf dem Nummernschild, wenn Sie sie rufen«, sagte ich zu ihm. »Der Junge, der die Corvette fährt, ist Kriminalbeamter bei der Mordkommission im Zentralrevier. Den Jungs von der Streife wird es ein Vergnügen sein, Jagd auf ihn zu machen, weil er verdächtigt wird, Zuhälter zu sein. Falls Sie das Nummernschild nicht genau entziffern konnten – darauf steht ›fureous‹– F-U-R-E-O-U-S.« An manchen Tagen bin ich nun einmal versöhnlicher aufgelegt als an anderen.
Er funkelte mich aus dunklen, zornigen Augen an, versuchte herauszubekommen, ob ich bluffte. Als ich ihm das Nummernschild buchstabierte, kam er offenbar zu dem Schluß, daß ich nicht bluffte. Er stolzierte in seine Wohnung zurück und warf die Tür hinter sich zu. Aus der südlichen Wohnung konnte ich hören, wie Peppy jaulte, weil sie sich unbedingt ins Getümmel mischen wollte. Ich nahm zwei Stufen nach oben auf einmal, um der vorhersehbaren Strafpredigt von Mr. Contreras zu entgehen.
Ich drängte Elena und Cerise in meine Wohnung. »Was möchtet ihr trinken? Kaffee? Mineralwasser?«
»Ich nehme ein Bier«, sagte Cerise.
»Tut mir leid. Bier habe ich nicht. Kaffee, Milch oder Saft. Sonst habe ich nur noch Mineralwasser und etwas Cola.«
Cerise wollte eine Cola, während Elena um den herrlichen Kaffee bat, den meine Mutter immer gemacht hatte. Ich servierte die Reste des Nudelsalats, den ich gestern zu dem Picknick mitgenommen hatte, und buk zwei Brötchen auf. Beide Frauen schienen in letzter Zeit nicht viel gegessen zu haben. Nachdem sich Cerise erkundigt hatte, was das für seltsame kleine weiße Dinger im Salat seien, und nachdem sie die Erklärung »Calamares« mit einem wissenden Nicken quittiert hatte, aßen sie beide schnell, ohne noch etwas zu sagen.
»Um welches Problem geht es, bei dem sie einen Detektiv braucht?« fragte ich, als sie aufgegessen hatten.
Cerise schaute Elena an, bat sie, für sie zu sprechen.
»Es geht um ihr Baby«, sagte meine Tante.
Im hellen Licht meines Wohnzimmers konnte ich sehen, daß Cerise nicht so alt war, wie sie unten in ihren eleganten Klamotten gewirkt hatte. Sie hätte zwanzig sein können, aber jede rechtschaffene Anwaltskanzlei hätte sie als minderjährig eingestuft.
»Ja«, sagte ich so ermutigend wie möglich.
»Wir glauben, daß die Kleine in dem Brand umgekommen ist«, sagte Elena.
»Im Brand
Weitere Kostenlose Bücher