Brandung des Herzens
selbst angewiesen.
Caleb hatte Reno erbarmungslos gejagt. Die Suche wurde noch erschwert durch die Tatsache, daß Renos Kurs unmöglich voraussagbar war; er hielt sich nicht an vielbefahrene Wege und tauchte nur in sehr unregelmäßigen Abständen in den einsamen Dörfern auf. Reno war auf der Jagd nach spanischen Schätzen -Gold. Er war ein Einzelgänger und hatte eine Vorliebe für das Hochgebirge und vergessene Indianerpfade, die durch ein Labyrinth von Felscanyons und eisigen Granitgipfeln führten.
In Calebs Augen waren Goldsucher Narren, er teilte jedoch Renos Vorliebe für das unberührte Hochland. Tatsächlich hatte Caleb sogar den Verdacht, daß er Reno gemocht hätte, hätte dieser nicht Calebs Schwester kaltherzig verführt und dann sitzengelassen. Aber Rebecca war tot, und Reno würde dafür sterben.
Leben um Leben.
»Vorsicht, wir sind an der Treppe angekommen«, sagte Caleb jetzt gedämpft, und seine Stimme klang kalt.
Willow fühlte, wie sich Calebs Schulter senkte, dann noch einmal, und sie begriff, daß er die Stufen hinunterging. Sorgsam prüfte sie den Weg vor sich mit der Spitze ihres Reitstiefels, versuchte, die Stelle zu finden, wo der Fußboden aufhörte und die Treppe begann. Doch sie fühlte nichts durch die harte Sohle ihres Stiefels. Caleb trat noch eine Stufe hinunter, und ihre Hand glitt von seiner Schulter.
»Warten Sie«, flüsterte sie. »Ich kann nicht erkennen, wo die Treppe anfängt.«
Sie spürte, wie Caleb sich mit entnervender Schnelligkeit zu ihr umdrehte.
»Halten Sie das hier«, murmelte er.
Er drückte ihr die Reisetasche in die Hand. Einen Augenblick später wurde Willow mit Schwung hochgehoben.
»Was tun Sie?« fragte sie atemlos.
»Still!«
Sein rauhes Flüstern brachte Willow zum Schweigen. Die Welt um sie herum verlagerte sich plötzlich und begann sich um sie zu drehen. Sie war nicht mehr auf den Arm genommen und getragen worden, seit sie ein Kind gewesen war. Das Gefühl der Hilflosigkeit war erschreckend, besonders in der Dunkelheit.
Willow drehte ihr Gesicht gegen Calebs muskulöse Brust und klammerte sich an die Reisetasche, bis ihre Finger schmerzten, während sie sehnlichst wünschte, sie hätte sich statt dessen an ihn klammern können. Nach ein paar Schritten schwand ihre Furcht, hinunterzufallen. Caleb ging die schiefe, wacklige Treppe mit der Trittsicherheit einer Katze hinunter. Willow stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus und lockerte ihren Griff um die Tasche.
Die Wärme ihres Atems streifte wie eine zarte Liebkosung über Calebs Brust. Er biß die Zähne zusammen und kämpfte mit aller Macht gegen die Versuchung an, stehenzubleiben und seine Lippen auf ihre zu pressen und die Tiefen ihrer süßen weiblichen Glut zu erforschen. Als er am Fuß der Treppe angekommen war, stellte er Willow abrupt auf die Füße, nahm ihr die Reisetasche aus der Hand und wandte sich ohne ein Wort von ihr ab.
Wieder atmete Willow zitternd aus und versuchte, nicht daran zu denken, wie sich Calebs kräftige, muskulöse Arme um ihren Rücken und unter ihren Knien angefühlt hatten. Sie bemühte sich auch, seinen erregenden Duft zu vergessen, eine maskuline Mischung aus Wolle, Leder und dem frischen, kühlen Wind, der von den Berggipfeln herunterblies. Mit zitternden Händen strich sie sich ihr Reitkostüm glatt und fragte sich bestürzt, wo ihre gewohnte Ruhe und Beherrschung geblieben waren. Sie hatte einem ganzen Trupp bewaffneter Soldaten gegenübergestanden und dabei weit weniger gezittert als in diesem Moment.
Die Seitentür des Hotels öffnete und schloß sich mit leisem Knarren hinter Willow. In der engen Gasse stank es nach Müll und Abwässern. Der Wind roch nach Holzrauch und kaltem Regen. Willow raffte ihren langen wollenen Rock, so gut sie konnte, und trat hinaus auf die Straße. Regentropfen peitschten ihr ins Gesicht, und sie wünschte, sie hätte eine nützlichere Kopfbedeckung gehabt, um sich vor dem naßkalten Wetter zu schützen, als den winzigen grünen Hut, der zu ihrem Reitkostüm gehörte.
Caleb benutzte die Hintertür zum Mietstall und drängte Willow mit deutlich spürbarer Ungeduld in das Innere. Er hegte keine große Hoffnung, daß ihr Aufbruch längere Zeit unbemerkt blieb, aber sie würden allen Vorsprung brauchen, den sie bekommen konnten, um etwaige Verfolger abzuschütteln. Auch wenn Willow die Ausdauer ihrer Araberpferde noch so energisch verteidigt hatte, so bezweifelte Caleb, daß die feinknochigen, eleganten Tiere, die
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